Bürgergeld ohne Biss?

Eine neue Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung sorgt für hitzige Debatten quer durch das Land. Nach der Auswertung der Forscher gibt es unter den Bürgergeld-Empfängern eine große Gruppe, die derzeit gar nicht aktiv nach Arbeit sucht, obwohl das System offiziell auf Aktivierung und Unterstützung angelegt ist. Während Politik und Behörden das Bürgergeld als Sprungbrett in Beschäftigung verkaufen, zeichnet die Studie ein weitaus ernüchternderes Bild: Viele Betroffene richten sich offenbar im Leistungsbezug ein, sei es aus Frust, Überforderung oder weil sich ein Job finanziell kaum lohnt. In Talkshows, Kommentarspalten und sozialen Netzwerken prallen nun Welten aufeinander: Hier diejenigen, die von einer schleichenden Verfestigung der sozialen Hängematte sprechen, dort jene, die auf die strukturellen Probleme des Arbeitsmarkts hinweisen.

In den Jobcentern bestätigt man hinter vorgehaltener Hand, dass die Motivation nicht bei allen Klienten gleich ausgeprägt ist. Berater berichten von verpassten Terminen, ausweichenden Begründungen und einer wachsenden Gruppe, die jede Stellenvorschlagliste mit einem Achselzucken quittiert. Gleichzeitig verweisen Sozialverbände darauf, dass viele Bürgergeld-Empfänger mit psychischen Belastungen kämpfen, Angehörige pflegen oder durch jahrelange prekäre Beschäftigung zermürbt wurden. Die Studie der Stiftung legt den Finger genau in diese Wunde: Ein System, das einerseits zur Arbeit verpflichten will, andererseits aber kaum echte Perspektiven bietet, produziert am Ende Resignation. Die starre Bürokratie, komplizierte Anrechnungsregeln und der fehlende Lohnabstand zu einfachen Tätigkeiten verstärken den Eindruck, dass sich Anstrengung nicht lohnt.

Die politische Reaktion lässt nicht lange auf sich warten. Konservative Parteien fordern schärfere Sanktionen, strengere Kontrollen und eine klare Botschaft, dass Bürgergeld keine Dauerlösung sein dürfe. Vertreter der Ampelkoalition geraten in Erklärungsnot: Das als moderne Grundsicherung geplante Modell steht plötzlich als Symbol für falsche Anreize am Pranger. Reformvorschläge reichen von mehr Vermittlung in Qualifizierung und Ausbildung über stärkere Zuverdienstmöglichkeiten bis hin zu regionalen Arbeitsprogrammen, die Langzeitarbeitslose wieder an einen geregelten Tagesablauf heranführen sollen. Eines zeigt die Studie in jedem Fall: Die Frage, ob Bürgergeld Brücke in die Arbeit oder bequemes Ruhekissen ist, bleibt ein gesellschaftlicher Sprengsatz – und wird die Republik noch lange beschäftigen.


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