BERLIN. Die von vielen erhoffte Wende in der deutschen Migrationspolitik scheint ins Stocken zu geraten. Während die christdemokratische Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber forciert, sorgen die jüngsten Entwicklungen im Umgang mit afghanischen Geflüchteten für harsche Kritik. Die Regierung hat grünes Licht für eine Luftbrücke gegeben, die besonders schutzbedürftige Afghanen aus Pakistan nach Deutschland bringen soll. Die Regierung spricht von einer humanitären Notwendigkeit, doch Kritiker sehen darin einen klaren Bruch der Ankündigung, die Zuwanderung konsequent zu begrenzen.
Seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 fliehen Zehntausende Afghanen nach Pakistan, um den Repressalien in ihrem Heimatland zu entkommen. Doch auch in Pakistan sind sie nicht sicher. Die Regierung in Islamabad hat begonnen, die Flüchtlinge, von denen viele keine gültigen Papiere besitzen, mit Gewalt in ihre Heimat zurückzuschicken. Die Vereinten Nationen und internationale Hilfsorganisationen haben die dramatische Lage mehrfach angeprangert und die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufgefordert.
Eine humanitäre Pflicht?
Die Bundesregierung betont, dass es sich bei den evakuierten Personen vorrangig um besonders vulnerable Gruppen handelt. Dazu gehören ehemalige Ortskräfte, Journalisten, Künstler und Frauenrechtlerinnen, die von den Taliban bedroht werden und denen in Pakistan die Abschiebung droht. „Es wäre unmenschlich, diesen Menschen nicht zu helfen“, so ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Es sei eine humanitäre Verpflichtung, die nicht verhandelbar sei. Der CDU-Migrationspolitiker Wolfgang Schäuble erklärte dazu in einem Interview: „Die Migration insgesamt müssen wir steuern und begrenzen, aber wir können uns humanitären Notfällen nicht verschließen.“
Kritik und Zukunftsfragen
Innerhalb der CDU und bei den konservativen Wählern, die eine klare Kehrtwende in der Migrationspolitik erwartet hatten, regt sich jedoch Unmut. Sie sehen in der Luftbrücke ein Zeichen der Schwäche und einen Widerspruch zur harten Rhetorik der letzten Monate. „Das ist keine Migrationswende, das ist ein Kniefall vor den Gutmenschen-Lobbyisten“, kritisierte ein ranghoher Parteikollege anonym. Die FDP als Koalitionspartner hingegen verteidigt die Entscheidung und argumentiert, dass die humanitäre Hilfe für Menschen in Lebensgefahr nicht mit der generellen Migrationspolitik gleichgesetzt werden dürfe.
Die Entscheidung wirft die Frage auf, wie die Regierung künftig mit humanitären Krisen umgehen wird. Ist die neue Politik nur eine Verschiebung des Problems, oder kann sie die Zuwanderung tatsächlich nachhaltig steuern? Der Fall der Afghanen aus Pakistan ist ein erster Lackmustest für die Migrationspolitik der neuen Bundesregierung und wird zeigen, ob sie ihren Worten Taten folgen lassen kann.