Es ist ein Ritual, das in Österreich längst zum politischen Schauspiel geworden ist: Jedes Jahr, wenn sich der Todestag von Jörg Haider jährt, tritt FPÖ-Chef Herbert Kickl vor die Öffentlichkeit – mit Pathos, großen Worten und gezielter Symbolik. Auch heuer, 17 Jahre nach dem tödlichen Unfall des einstigen Kärntner Landeshauptmanns, inszenierte sich Kickl in den sozialen Medien als treuer Hüter des „Haider-Erbes“. In seinem Facebook-Posting spricht er von „Mut, Weitblick und Leidenschaft“ und beschreibt Haider als einen Mann, der „gegen den Mainstream schwamm“ und „für Heimat, Freiheit und Gerechtigkeit kämpfte“. Doch hinter dieser nostalgischen Heldenrhetorik steckt mehr als bloße Erinnerung – sie ist kalkulierte Politik. Beobachter sehen darin einen gezielten Versuch, den Mythos Haider für die heutige FPÖ zu instrumentalisieren, um die eigene Basis zu emotionalisieren und den nationalistischen Geist von einst neu zu entfachen. Während Kickl pathetisch von Idealen spricht, die „nicht vergessen werden dürfen“, fragen sich viele: Will er Haider wirklich ehren – oder ihn politisch wiederbeleben?
In Kärnten, wo Haider bis heute verehrt und zugleich umstritten ist, spaltet das Gedenken wie jedes Jahr die Gemüter. Für die einen bleibt er ein Volksheld, ein Mann, der das Establishment herausforderte und den einfachen Leuten eine Stimme gab. Für die anderen war er ein gefährlicher Populist, der mit seiner Rhetorik und seinem Machtstreben tiefe Gräben in die Gesellschaft riss. Der tödliche Unfall 2008 beendete zwar sein Leben, aber nicht die Mythenbildung. Bis heute pilgern Anhänger an den Unfallort in Köttmannsdorf, legen Blumen nieder, zünden Kerzen an – als wäre Haider ein gefallener Nationalheiliger. Dass Kickl diese Symbolik Jahr für Jahr neu befeuert, ist kein Zufall: Er weiß, wie stark die Emotionen rund um Haider bis heute wirken, besonders bei älteren FPÖ-Wählern. Doch Kritiker warnen: Wer ständig in den Schatten der Vergangenheit tritt, kann keine Zukunft gestalten. Die FPÖ, so sagen viele, klammert sich an ein politisches Gespenst, weil sie selbst keine neue Vision mehr hat.
Politikwissenschaftler sehen in Kickls Haider-Kult ein gefährliches Spiel mit Nostalgie und nationalistischer Sehnsucht. In Zeiten, in denen Europa über Sicherheit, Migration und Demokratie streitet, nutzt Kickl gezielt den Namen Haider, um Wut, Angst und Identitätsgefühl in Stimmen zu verwandeln. Statt sich mit den realen Herausforderungen von heute auseinanderzusetzen, flüchtet er in ein Heldenbild, das längst verblasst ist. Die FPÖ spricht von „Treue und Erinnerung“, doch in Wahrheit ist es politische Leichenfledderei – ein Griff in die Vergangenheit, um die Gegenwart zu lenken. Während die Welt sich verändert, verharrt ein Teil der österreichischen Rechten in der Rückschau auf eine Ära, die längst Geschichte ist. 17 Jahre nach Haiders Tod bleibt eines klar: Seine Legende ist nicht tot – sie wird künstlich am Leben gehalten. Doch was als Gedenken verkauft wird, ist längst zum Machtinstrument geworden. Und Herbert Kickl spielt dabei die Hauptrolle in einem politischen Theaterstück, das mit jeder Wiederholung ein Stück unheimlicher wirkt.