Berlin – Eine überraschende Kehrtwende des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz sorgt für Aufsehen und hitzige Debatten: Anders als noch vor wenigen Wochen, als er eine harte Linie in der Migrationspolitik vertrat, sprach sich Merz am Mittwoch, den 19. März 2025, dafür aus, dass ausweispflichtige Migranten in Deutschland bleiben sollen. Die Aussage, gefallen in einem Interview mit der „Welt“, markiert einen deutlichen Bruch mit seiner bisherigen Position und wirft Fragen über die Strategie der Union im anstehenden Wahlkampf auf.
„Ich sage ganz klar: Wer gültige Papiere hat und sich ausweisen kann, sollte hier eine Perspektive bekommen“, erklärte Merz. Damit scheint der CDU-Chef einen pragmatischen Kurs einzuschlagen, der sich von seinen früheren Forderungen nach flächendeckenden Zurückweisungen an den Grenzen und einer strikten Begrenzung der Migration abhebt. Noch im Januar hatte er nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg einen radikalen Kurswechsel in der Asylpolitik angekündigt und sogar die Stimmen der AfD in Kauf genommen, um seine Pläne durchzusetzen – ein Vorstoß, der an der Mehrheit im Bundestag scheiterte und ihm heftige Kritik einbrachte.
Die Hintergründe dieser Wende sind unklar. Parteifreunde vermuten, Merz reagiere auf die jüngsten Umfragen, die eine wachsende Zustimmung für eine differenzierte Migrationspolitik zeigen. „Er will sich von der AfD abgrenzen und die Mitte zurückgewinnen“, spekuliert ein CDU-Insider. Andere sehen darin einen taktischen Schachzug, um nach der Bundestagswahl im Februar mit potenziellen Koalitionspartnern wie den Grünen oder der SPD Brücken zu bauen. Tatsächlich hatte Merz im Interview betont, Deutschland brauche „Fachkräfte und Menschen, die sich integrieren wollen“ – eine Rhetorik, die an die Argumente der Ampelregierung erinnert.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sprach von „opportunistischem Zickzack“ und warf Merz vor, „jeden Prinzipienstandpunkt über Bord zu werfen, wenn es politisch nützlich erscheint“. Grünen-Chef Robert Habeck zeigte sich überrascht, mahnte aber: „Worte allein reichen nicht – Merz muss jetzt mit Taten zeigen, dass er es ernst meint.“ Innerhalb der Union selbst ist die Verwirrung groß. „Erst Grenzen dicht, jetzt Perspektiven schaffen? Das müssen Sie den Wählern erklären“, klagte ein CSU-Abgeordneter anonym.
Kritiker aus dem rechten Spektrum, allen voran die AfD, wittern Verrat. „Merz zeigt sein wahres Gesicht: ein Kanzlerkandidat ohne Rückgrat“, höhnte AfD-Chefin Alice Weidel auf X. Migrationsforscher hingegen begrüßen die Öffnung vorsichtig. „Es ist ein realistischer Ansatz, denn Identität ist der erste Schritt zur Integration“, sagt Prof. Dr. Anna Schmidt vom Institut für Migrationsforschung in Berlin. Dennoch bleibe abzuwarten, wie Merz diese Linie mit seiner bisherigen Law-and-Order-Haltung vereinbaren wolle.
Für die CDU könnte die Aussage ein Wendepunkt sein – oder ein riskantes Spiel. Mit der Bundestagswahl hinter sich und Koalitionsverhandlungen in vollem Gange steht Merz unter Druck, seine Partei als regierungsfähig zu positionieren. Ob ihm das mit dieser neuen Tonlage gelingt oder ob er sich zwischen allen Stühlen wiederfindet, wird die kommenden Wochen zeigen. Eines ist sicher: Die Migrationsdebatte bleibt ein Pulverfass – und Merz hat erneut den Zündfunken geliefert.