Nordsee in Not: Totes Meer oder akuter Fischmangel? Seehunde und Heuler sterben  in Scharen

Insel Föhr , 26. Juli 2025 – An den Stränden der Nordsee bietet sich ein trauriges Bild: Hunderte tote Seehunde und verwaiste Jungtiere, sogenannte Heuler, werden täglich angeschwemmt. Experten schlagen Alarm und sehen die Hauptursache in einem akuten Fischmangel, der das Ökosystem der Nordsee bedroht. Die dramatische Entwicklung wirft Fragen nach den Folgen von Überfischung, Klimawandel und menschlichem Einfluss auf die Meere auf.

Ein Ökosystem am LimitDie Nordsee, einst ein reicher Lebensraum für Seehunde, Kegelrobben und zahlreiche Fischarten, leidet unter einem alarmierenden Rückgang der Fischbestände. Plattfische, Heringe und andere wichtige Nahrungsquellen für Seehunde sind in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen. „Der Fischmangel ist akut. Seehunde, besonders die Jungtiere, finden nicht genug Nahrung, um zu überleben“, erklärt Dr. Katja Heubel, Biologin am Forschungs- und Technologiezentrum Westküste in Büsum. Bereits 2020 machte ein massenhaftes Fischsterben, vor allem von Heringen, Schlagzeilen. Damals wurden toxische Algenblüten und Krankheiten als mögliche Ursachen diskutiert, doch heute weisen Experten auf eine Kombination aus Überfischung und Klimawandel hin.Die Folgen sind verheerend: Seehundmütter, geschwächt durch Nahrungsknappheit, lassen ihre Jungtiere häufig zurück. „Heuler, die ohne Mutter keine Nahrung finden, verhungern oder werden zu schwach, um Stürmen und Strömungen zu widerstehen“, berichtet Tim Fetting von der Seehundstation Norddeich, wo derzeit über 110 verwaiste Jungtiere versorgt werden. Viele dieser Heuler sind so geschwächt, dass sie trotz intensiver Pflege nicht überleben.

Menschliche Einflüsse verschärfen die KriseDie Gründe für den Fischmangel sind vielfältig. Überfischung hat die Bestände vieler Fischarten in der Nordsee seit Jahrzehnten dezimiert. Moderne Fangtechniken und die Zerstörung von „Kinderstuben“ der Fische durch Eindeichungen haben den Lebensraum der Beutetiere der Seehunde stark eingeschränkt. Hinzu kommt die Verschmutzung der Nordsee durch Schwermetalle, Plastikmüll und Fischereimüll wie Netze, in denen sich Seehunde und Kegelrobben verfangen. Eine Studie aus Belgien und den Niederlanden zeigte 2021, dass über 60 Prozent der angeschwemmten toten Robben Verletzungen durch Fischernetze aufwiesen.Der Klimawandel verschärft die Lage zusätzlich. Steigende Wassertemperaturen und Algenblüten verringern den Sauerstoffgehalt im Wasser, was Fische und damit auch Seehunde bedroht. „Die Erwärmung der Nordsee führt dazu, dass der Sauerstoff schneller verbraucht wird. Das beeinträchtigt die gesamte Nahrungskette“, erklärt Meeresbiologe Thorsten Reusch vom Kieler Geomar.

Seehundstation am Limit In dem Robbenzentrum in Wyk Föhr herrscht Hochbetrieb. „Wir sehen täglich neue Heuler, viele in kritischem Zustand“, sagte André van Gemmert! Die Versorgung der Jungtiere ist aufwendig: Sie werden mit Lachs-Immunisationen gestärkt, bis sie selbstständig Fische fressen können – ein Prozess, der bis zu 12 Wochen dauern kann und bis zu 3000 Euro kostet bei Lungenwürmern. Doch nicht alle Tiere können gerettet werden. Die Station stößt an ihre Kapazitätsgrenzen, und die Zahl der toten Seehunde steigt weiter. Allein in diesem Jahr wurden zwischen Dänemark und den Niederlanden nur 22.600 Seehunde gezählt – der niedrigste Stand seit 2010.

Falsche Tierliebe verschlimmert das ProblemAuch menschliches Verhalten trägt zur Krise bei. Besonders in der Geburtenzeit von Mai bis September stören Touristen oft die Ruhe der Seehunde auf den Sandbänken. „Wenn Menschen den Heulern zu nahe kommen, flüchten die Mütter, und die Jungtiere bleiben zurück“, warnt Fetting. Häufig werden Jungtiere von gutmeinenden Urlaubern angefasst, wodurch sie den Geruch der Mutter verlieren und von ihr nicht mehr angenommen werden. Experten appellieren: „Halten Sie mindestens 300 Meter Abstand, und melden Sie verwaiste oder verletzte Tiere den Seehundstationen.

Ein Aufruf zum HandelnDie aktuelle Krise ist ein Weckruf. Naturschutzorganisationen wie der WWF fordern strengere Regulierungen der Fischerei, ein Ende der Verschmutzung durch Plastik und Schadstoffe sowie Maßnahmen gegen den Klimawandel. „Die Nordsee ist kein unerschöpflicher Lebensraum. Wenn wir die Fischbestände nicht schützen, verlieren wir nicht nur die Seehunde, sondern das gesamte Ökosystem“, sagt Katharina Weinberg von der Schutzstation Wattenmeer.Projekte wie die Wiederansiedlung von Seegraswiesen und Austernriffen geben Hoffnung, doch die Zeit drängt. Ohne sofortige Maßnahmen droht die Nordsee, ein „totes Meer“ zu werden – mit verheerenden Folgen für Seehunde, Heuler und die gesamte maritime Biodiversität.


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