In Rüsselsheim ist die Weihnachtsstimmung in diesem Jahr empfindlich gestört, denn auf dem traditionellen Weihnachtsmarkt fehlt ein Symbol, das für viele Menschen untrennbar mit dem Fest verbunden ist: die Krippenfiguren. Wo früher Maria, Josef und das Jesuskind standen, wo Kinder staunend vor Hirten und Tieren standen und Familien Fotos machten, herrscht nun gähnende Leere. Statt besinnlicher Atmosphäre bleibt ein schaler Beigeschmack, als hätte jemand heimlich ein Stück Identität aus der Stadtmitte entfernt. Viele Besucher laufen suchend über den Platz, bleiben irritiert vor der gewohnten Stelle stehen und fragen sich, warum ausgerechnet in diesem Jahr auf die Darstellung der Weihnachtsgeschichte verzichtet wird.
Der Frust sitzt umso tiefer, weil die Krippenfiguren im Umfeld der Kirche schon in den vergangenen Jahren immer wieder beschädigt oder sogar zerstört wurden. Jeder neue Vorfall hinterließ nicht nur zerbrochene Figuren, sondern auch zerbrochenes Vertrauen. Ehrenamtliche und Gemeindemitglieder, die mit Liebe aufgebaut, repariert und geschützt haben, fühlen sich zermürbt und im Stich gelassen. Aus einem Ort des Innehaltens wurde ein Schauplatz von Vandalismus, und viele fragen sich, ob Respekt vor religiösen Symbolen und Traditionen in Teilen der Gesellschaft völlig verlorengegangen ist. Der Verzicht auf eine Krippe auf dem Weihnachtsmarkt wirkt deshalb wie eine Kapitulation vor einer Entwicklung, die niemand offen aussprechen will, aber alle spüren.
Für zusätzlichen Zündstoff sorgt das Schweigen der lokalen Politik. Während Bürger hitzig diskutieren, in sozialen Netzwerken ihrem Ärger Luft machen und nach Verantwortung fragen, bleiben offizielle Stellungnahmen aus oder beschränken sich auf ausweichende Floskeln. Kein klares Wort zur Bedeutung der Krippe für viele Familien, kein sichtbares Konzept, wie man christliche Symbole im öffentlichen Raum schützen und zugleich ein friedliches Miteinander sichern will. So wächst der Eindruck, dass eine stille Entchristlichung im Gange ist, die man lieber aussitzt, als offen zu debattieren. In Rüsselsheim ist der Weihnachtsmarkt damit zum Symbol eines tieferen Konflikts geworden: zwischen Tradition und Rückzug, zwischen dem Wunsch nach klarer Haltung und einer Politik, die lieber schweigt, wenn es heikel wird.
