Schule: Schuhebinden? Schon zu viel!

In einer Wiener Schule schlägt ein Schulleiter Alarm und zeichnet ein Bild, das Eltern und Politik gleichermaßen aufschrecken lässt. In seinen Klassen sitzen Kinder, die mit modernsten Tablets hantieren können, aber an einfachsten Alltagsaufgaben scheitern. Schnürsenkel binden, Jacken selbstständig anziehen, eine Jause ordentlich auspacken – Routinen, die einst Kindergartenstoff waren, werden heute zu unüberwindbaren Hürden. Der Direktor spricht von einer Wohlfühl-Erziehung, in der Kinder jeden Wunsch von den Augen abgelesen bekommen, bevor sie überhaupt lernen, etwas selbst zu tun. Was als liebevolle Fürsorge beginnt, kippt nach seiner Beobachtung in eine Bequemlichkeitsfalle, in der Eltern alles abnehmen und Kinder verlernt haben, Frust, Anstrengung und kleine Niederlagen auszuhalten.

Im Lehrerzimmer wird längst nicht mehr nur über Mathe und Rechtschreibung gesprochen, sondern über grundlegende Selbstständigkeit, die vielen Schülerinnen und Schülern zu fehlen scheint. Pädagogen erzählen von Kindern, die Hilfe beim Öffnen einer Trinkflasche brauchen, die nicht wissen, wie man einen Stift richtig hält, oder die verzweifeln, wenn etwas nicht sofort funktioniert. Der Wiener Schulleiter sieht darin ein Symptom einer Erziehung, die Konflikte glattbügelt, Frust vermeidet und jede Hürde sofort aus dem Weg räumt. Die Folge: Kinder kommen in die Schule mit hohen Ansprüchen, aber niedriger Frustrationstoleranz. Wenn etwas nicht sofort klappt, wird aufgegeben, geweint oder geschimpft, statt noch einmal neu anzusetzen. Lehrkräfte werden damit zu Ersatzeltern, die nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch jahrelang versäumte Erziehungsarbeit nachholen sollen.

Der Appell des Schulleiters richtet sich deshalb direkt an die Elternhäuser. Er fordert weniger Dauerbetüdelung und mehr Mut, Kinder eigene Erfahrungen machen zu lassen. Schuhe selbst binden, Brotbox eigenständig packen, Wege allein bewältigen – all das seien keine Nebensächlichkeiten, sondern Trainingsfelder für Ausdauer, Struktur und Verantwortungsgefühl. Wer sein Kind vor jeder Anstrengung bewahren wolle, nehme ihm zugleich die Chance, an kleinen Erfolgen zu wachsen. In Wien wird diese Warnung nun heiß diskutiert: Ist die moderne Wohlfühl-Erziehung dabei, eine Generation heranzuziehen, die technisch versiert, aber alltagsunselbstständig ist? Oder hält der Schulleiter nur der Gesellschaft einen unbequemen Spiegel vor, in dem sichtbar wird, wie sehr Bequemlichkeit und Überfürsorge längst den Ton im Kinderzimmer angeben?


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