Mit seiner eigenwilligen Politik hat sich Präsident Erdogan in den letzten Jahren kaum Freunde gemacht. Das bekommt nun die Türkei selbst zu spüren – und zwar dort, wo es besonders schmerzt: in den eigenen Taschen. Das Land wird momentan von einer Finanzkrise gebeutelt, die Lira bricht immer weiter ein und Hilfe von anderen Ländern ist erst einmal nicht in Sicht. Selbst Merkel verkündete öffentlich, sie sähe zunächst noch keinen Grund, Staatshilfen für die Türkei locker zu machen. Darf man diese Krise wirklich so isoliert betrachten, oder birgt sie möglicherweise Risiko für alle? Es dürfte ein folgenschwere Fehleinschätzung werden, soweit man nicht die Verflechtungen der Märkte untereinander berücksichtigt.
Offener Zwist mit den USA als Anfang vom Ende
Die Lira schwächelte bereits seit längerer Zeit, doch Donald Trumps Ankündigung Mitte August gab ihr den Rest. Der Präsident der Vereinigten Staaten gab bekannt, dass er zukünftig Stahl und Aluminium aus der Türkei mit höheren Importzöllen zu belegen gedachte – woraufhin die Lira völlig einbrach und kein Zweifel mehr daran bestand, dass die Türkei sich in einer ausgewachsenen Finanzkrise befand. Diese Spitze gegen die Türkei war ein politischer Gegenschlag, nachdem die türkische Regierung die Freilassung eines amerikanischen Pastors verweigerte, der wegen vermutetem Terrorismus in der Türkei festgesetzt wurde. Inoffiziell mutmaßte man, als Druckmittel, um den einstigen Weggefährten und heutigen, in den USA lebenden, Widersacher Erdogans, Fethullah Gülen, von dort ausgeliefert zu bekommen
Wie „ansteckend“ ist die türkische Finanzkrise?
Dass Erdogan nunmehr die Folgen seiner Politik so hart zu spüren bekommt, damit dürften die wenigsten Mitleid haben. Der Tenor der Publikationen, in Reaktion auf die türkische Misere, fiel dennoch eher besorgt aus. Schließlich entfaltet die türkische Krise auch eine international Wirkung. Schon vor dem fatalen Schlag der USA hatte die Türkei einen satten Schuldenberg angehäuft. Nun wird es bei einer verfallender Lira immer unwahrscheinlicher, dass diese Schulden beglichen werden. Umso fataler für die Türkei, als dass diese Auslandsschulden oftmals in Dollar oder Euro bestehen. Somit wird die Rückzahlung mit zunehmendem Verfall der Lira immer unwahrscheinlicher. Selbst türkische Anleger trauen der Lira immer weniger und weichen stattdessen auf einen Handel in Kryptowährungen aus. Kein Wunder – denn der ETH GBP Preis ist für sie weitaus interessanter als der Wechselkurs der Lira zum Dollar oder zum Pfund.
Schwellenländer stehen schneller im Feuer
Allein für Gläubiger aus Europa ist die türkische Krise eine schlechte Nachricht. Viele europäische Banken wie BNP Paribas oder ING sind an türkischen Banken beteiligt und so wiederum auch an dem Risiko der türkischen Lira. Allerdings trifft sie die Zahlungsschwäche der Türkei nicht ganz so hart wie ärmere Länder, die ebenfalls zu den Gläubigern der Türkei zählen. So mussten der südafrikanische Rand als auch die indische Rupie erhebliche Verluste hinnehmen – was diese Länder selbst in den Augen der Weltbanken in ihrer Kreditwürdigkeit weiter schwächt. Die Folgen der türkischen Lira-Schwäche in Europa werden demnach zwar spürbar, aber bedeutend geringer ausfallen – während die Folgen für Schwellenländer wie Südafrika oder Indien, aus besagten Gründen, gravierender sein könnten und somit deren ohnehin schon schwankende Wirtschaft weiter destabilisieren kann.
Dollar bleibt ein Zünglein an der Waage
Schließlich kommt noch hinzu, dass der Dollar im Angesicht der florierenden US-Wirtschaft derzeit wieder stärker wird. Länder, die sich Gelder in Dollar geliehen haben, müssen diese nun zurückzahlen – und zwar zu einem höheren Wechselkurs als einstmals geplant. Dies vergrößert, unabhängig von der Zinslast, die Schuldenlast im Einzelfall beträchtlich.
Wie lange die Krise der Türkei andauert und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um sie zu beenden, bleibt nicht nur abzuwarten, sondern weiterhin ein großes Politikum. Möglicherweise muss dann doch ein Hilfspaket aus Deutschland als erster Schritt her, um gravierendere Folgen für den globalen Finanzmarkt zu vermeiden. Die Türkei, wegen der Politik eines Erdogan, einfach kollabieren zu lassen, ist die schlechteste aller Optionen.