Der Glyphosat-Skandal: Alleingang offenbar von langer Hand vorbereitet!

 

Köln

Die umstrittene deutsche Zustimmung zum Unkrautvernichtungsmittel 
Glyphosat ist offenbar monatelang vorbereitet worden. Im 
Bundeslandwirtschaftsministerium wurde nach Informationen von WDR, 
NDR und Süddeutscher Zeitung schon im Sommer vorgeschlagen, für 
Glyphosat zu stimmen - auch gegen den Widerstand des 
Umweltministeriums.

Im Bundeslandwirtschaftsministerium wurde schon lange darauf 
gedrungen, der Entscheidung, der Glyphosat-Verlängerung im Alleingang
zuzustimmen. Das ergibt sich aus internen Unterlagen, die WDR, NDR 
und SZ einsehen konnten. Demnach empfahl das zuständige Fachreferat 
für Pflanzenschutz seinem Landwirtschaftsminister Christian Schmidt 
(CSU) bereits am 7. Juli zu prüfen, ob man ohne das Einverständnis 
des Bundesumweltministeriums dem Vorschlag der EU-Kommission 
"eigenverantwortlich" zustimmen könne. Eine Zustimmung ohne Einigung 
in der Bundesregierung widerspricht den Vereinbarungen des 
Koalitionsvertrages von CDU und SPD. Dieser sieht vor, dass sich die 
Bundesregierung in solchen Fällen auf europäischer Ebene enthalten 
muss. 

Wenige Wochen später bat die Fachabteilung die Leitungsebene dann 
sogar darum, bei Bundeskanzlerin Angela Merkel eine Weisung zu 
erwirken. Durch den Gebrauch ihrer Richtlinienkompetenz könne das 
Ministerium dann ohne Rücksicht auf das Umweltministerium in Brüssel 
der Verlängerung der Glyphosat-Zulassung zustimmen, heißt es. Das 
Schreiben an die Leitungsebene vom 24. August ist mit einer Fußnote 
versehen: Merkel habe sich zuletzt auf dem Deutschen Bauerntag ja 
öffentlich für Glyphosat ausgesprochen. 

Die Fachabteilung im Landwirtschaftsministerium hat den zuständigen 
Staatssekretär schließlich am 2. Oktober noch einmal zu einer 
Entscheidung gedrängt: Eine deutsche Enthaltung in Brüssel gemäß 
Koalitionsvertrag würde einer faktischen Ablehnung entsprechen und 
hätte zur Folge, dass noch weitere Mitgliedsstaaten dem 
Kommissionsvorschlag nicht zustimmen würden. Die EU-Kommission müsste
den Wirkstoff also im Alleingang genehmigen. Allerdings, so hieß es, 
bliebe ja noch eine weitere Handlungsoption: "Zustimmung ohne 
ressortabgestimmte Haltung". 

Aus den Akten, die WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung einsehen konnten,
geht außerdem hervor, dass die zuständigen Ministerien 
Landwirtschaft, Umwelt und Wirtschaft sich regelmäßig über die 
deutsche Position in Brüssel beraten haben. Ob neben dem 
Bundesumwelt- und dem Bundeswirtschaftsministerium auch das 
Bundeskanzleramt eingebunden war, lässt sich dagegen nicht ersehen, 
da die Akteneinsicht vom Bundeslandwirtschaftsministerium an mehreren
Stellen zwischen dem 7.7. und dem 27.11 verwehrt wurde mit den 
Hinweisen "Interne Beratung BReg" und "Vertrauliche Beratung BReg - 
nicht abgeschlossenes Verfahren". Nach Merkels Darstellung hat 
Minister Christian Schmidt mit der Entscheidung in Brüssel für die 
Verlängerung des Pflanzenschutzmittels gegen die Weisung der 
Bundesregierung verstoßen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium 
erklärt auf Anfrage, die Vermerke seien nur zur Kenntnisnahme 
erstellt worden und hätten damals noch keinerlei Entscheidung nach 
sich gezogen. 

Recherche von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung