Es kommt, wie es kommen muss. Kaum habe ich meinen Mann zu einem der letzten leeren Sitzplätze auf versifften Metallbänken inmitten von betrunkenen Pennern und einem vor Dreck starrenden Boden gebracht, erscheint auf der Anzeige ein Wechsel von Gleis 4 auf 13. Der Menschenstrom setzt sich in Bewegung und ergießt sich die Treppen zur Bahnhofshalle hinunter. Es brodelt vor Menschen. Die Kakophonie unterschiedlichster Sprachen ist unerträglich. Ich habe Hunger und hole mir bei der Nordsee eine Schachtel Garnelen, während mein Mann beim Aufzug wartet. Doch dies entpuppt sich als fataler Fehler, denn wir können uns auf dem rappelvollen Bahnsteig nicht mehr finden. Also steigen wir in verschiedene Wagen ein und müssen dort ausharren, da im Zug selbst kein Durchkommen ist. Wir sind wie Flüchtlinge voneinander getrennt. Und genauso fühlen wir uns auch – wie Flüchtlinge, wie Untermenschen im eigenen Land.
Es sind 45 Minuten nach Uelzen. Im Abteil unterhalten sich acht aufgetakelte Ukrainerinnen ununterbrochen und telefonieren lautstark. Eines ihrer Kinder schaut seit Abfahrt einen Zeichentrickfilm mit Quietschestimmen. Sie sehen weder, arm, noch traumatisiert, noch sonst irgendwie nach Flüchtlingen aus. Ein Leibwächter, der im Landratsamt arbeitet, hat meiner Bekannten wiederholt erzählt, dass zahlreiche Ukrainerinnen aus der Ukraine jeden Monat nach Deutschland aufs Amt fahren, „ihr Geld“ holen und dann in der Ukraine meine Steuern verprassen.