Dieselgate: VW-Kunden in Europa, Kunden 2. Klasse!

 

 

Cottbus  – Gewogen und für zu leicht befunden. Was VW-Chef Matthias Müller den 8,5 Millionen Diesel-geschädigten Kunden auf seinem wichtigen Heimatmarkt Europa als Entschädigung anbietet, das ist ebenso schäbig wie dürftig. Nicht nur gemessen daran, was der Konzern in den USA springen ließ. Dort zahlte VW jedem betroffenen Käufer, der einen Wagen mit Schummelsoftware erworben hat, 5000 bis 10 000 US-Dollar. Auch gemessen daran, was in Europa im Gespräch war, ist diese halbherzige Kulanz-Maßnahme wenig. Zumindest eine Inspektion umsonst wäre angemessen gewesen. Nüchtern betrachtet ist die “vertrauensbildende Maßnahme” nichts wert: VW verspricht lediglich zu tun, was schon in den vergangenen Monaten üblich ist, nämlich mit den Beschwerden von Kunden, die das Update haben vornehmen lassen, kulant umzugehen. Nicht mehr und nicht weniger. Aus Verbrauchersicht ist dies ärgerlich. Doch es gibt noch eine andere Frage in diesem Fall. Welche Chance hat der Konzern, den Skandal wirtschaftlich zu überstehen? Klar ist: Wenn VW weltweit in ähnlicher Weise zur Ader gelassen worden wäre wie in den USA, so hätte dies gravierende Folgen gehabt. Vermutlich hätte es den Konzern in den Bankrott getrieben. In den USA, wo VW mit rund 15 Milliarden Dollar für den Skandal zur Kasse gebeten wurde, ging es nur um rund eine halbe Million Autos. In Europa sind die Stückzahlen um ein Vielfaches höher. Wenn mit der gleichen Latte gemessen würde wie in den USA, dann sähe Wolfsburg schlecht aus. Es hätte nicht mehr die finanziellen Ressourcen, um so in Forschung und Entwicklung zu investieren, wie dies nötig ist. Die Branche steht vor einer tiefgreifenden technologischen Umwälzung. Wer jetzt nicht in die Digitalisierung und alle alternativen Antriebstechnologien investiert, kann schon in wenigen Jahren nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Damit sollte der Fall für die Gesellschaft und die Politik aber nicht erledigt sein. Das Vorgehen der VW-Manager war dreist. Wie sich jetzt zeigt, konnten sie aber darauf hoffen, dass sich die rechtlichen und finanziellen Konsequenzen in Europa in Grenzen halten. Offensichtlich sind keine drakonischen Strafen für Unternehmen, die vorsätzlich betrügen, vorgesehen. Es zeigt sich zudem, dass die Verbraucher nicht auf die Bundesregierung hoffen dürfen. Sie fühlt sich zu sehr der Loyalität gegenüber einem für den Standort wichtigen Unternehmen verpflichtet. Anders liegen die Dinge in Brüssel. EU-Justizkommissarin Vera Jourova hat immerhin für die geschädigten Verbraucher gekämpft. Das kann man nicht unbedingt über die zuständigen Minister im Kabinett Merkel sagen. Im aktuellen Fall hat die Tschechin zwar wenig herausholen können. Ohne ihren beharrlichen Einsatz hätten die VW-Kunden aber noch nicht einmal die vage Kulanz-Erklärung bekommen.