Grünen-Fraktionschef verlangt Änderungen im Tierschutzrecht

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, hat Änderungen im Tierschutzrecht und eine Umstellung der Landwirtschaftspolitik gefordert. Oft ließen Landwirte Kälber "einfach elend sterben", weil bei überzähligen oder an Durchfall erkrankten Jungtieren die Einschaltung eines Schlachters oder Tierarztes zu teuer sei, sagte Hofreiter der "Welt". Bei den enormen Leistungen der Rinder- und Milchwirtschaft in Deutschland stünden besonders industriell geführte Betriebe im Verdacht, Zehntausende Kälber jährlich kurz nach der Geburt mit illegalen Methoden zu entsorgen, berichtet die Zeitung unter Berufung auf eigene Recherchen.

Statistiken der Behörden wiesen darauf hin, dass vor allem männliche Kälber betroffen seien. Mit den neugeborenen Kälbern sei es dasselbe wie mit frisch geschlüpften Küken – sie sind Ausschuss, ein Abfallprodukt der Milchwirtschaft, berichtet die Zeitung weiter. Denn für die beste Ergiebigkeit müssten Hochleistungsmilchkühe jedes Jahr ein Kalb gebären. Zwar gehe ein großer Teil der weiblichen Kälber als Nachwuchs in die Zucht, und ein guter Teil der Bullenkälber werde für die Fleischproduktion aufgepäppelt. Dazwischen klaffe aber in der landwirtschaftlichen Statistik ein großes Loch: Bis zu 200.000 Kälber verenden in den ersten drei Lebensmonaten oder werden getötet, berichtet die Zeitung unter Berufung auf Schätzungen von Experten und Tierschützern. In den norddeutschen Bundesländern wie Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern seien es "bis zu 16 Prozent der Jungtiere", die entsorgt würden, sagte Frigga Wirths, Tierärztin an der Akademie für Tierschutz des Deutschen Tierschutzbundes, der "Welt". "Je größer die Betriebe, desto höher die Mortalität", so die Tierärztin weiter. "Wenn ein Kalb nicht einmal 30 Euro bringt, der Tierarzt aber 50 Euro kostet, ist der Bauer in einem Dilemma. Für viele sind dann sogar 20 Euro für Abdecker und die Tierkörperverwertungsanstalt zu viel", sagte Iris Fuchs, Vizepräsidentin der Bayerischen Landestierärztekammer. Der Preis für ein 14 Tage altes Kalb liege bei 8,49 Euro, doch in manchen Regionen seien die Tiere sogar nur noch ein oder zwei Euro wert, berichtet die Zeitung weiter. Der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, Hermann Onko Aeikens (CDU), sieht Verbraucher und Molkereien in der Pflicht: "In Deutschland sind wir bereit, viel Geld für teure Küchen auszugeben, aber weniger für das, was in der Küche zubereitet wird", kritisierte Aeikens. Man gebe "neun Prozent des Haushaltseinkommens für Lebensmittel" aus, das sei international ein "sehr niedriger Satz". Wenn der Verbraucher Tierwohl fordere, verteuere sich die Produktion, "dann muss er auch zum Beispiel für die Milch mehr zahlen", so der Landwirtschafts-Staatssekretär weiter. Ein Teil des Problems liege bei den Molkereien. "Es gibt gut wirtschaftende Molkereien, die die Bauern gut bezahlen. Es gibt aber auch andere, da muss etwas geschehen. Wir müssen mehr Wertschöpfung in die Milchkette reinbringen, da sind wir im internationalen Vergleich nicht im Optimum", sagte Aeikens. Hofreiter empfiehlt, dass in Deutschland wie in der Schweiz "sämtliche Geburten, auch Totgeburten, und Abgänge zentral gesammelt werden". Bislang müssen Kälber erst ab dem siebten Lebenstag gekennzeichnet werden. "Totgeburten und frühe Verluste verschwinden so vom Radar", kritisierte der Grünen-Politiker. Die Bauern seien durch diese Zustände "Opfer eines unverantwortlichen Systems". Er habe noch keinen Landwirt getroffen, der die heutige Form der Tierzucht gut finde. Die Bauern "sehen sich aber gezwungen, mitzumachen wegen der extremen Exportorientierung und dem niedrigen Weltmarktpreis, mit denen sie mithalten müssen, damit ihre Betriebe überleben", so der Grünen-Fraktionschef weiter. Auf längere Sicht liege die Lösung darin, "dass wir am Ende weniger Fleisch essen werden, aber dafür qualitativ hochwertigeres mit besseren Tierschutzstandards", sagte Hofreiter der "Welt". Zudem müsse die Förderung der Landwirtschaftspolitik umgestellt werden. "Bislang sind die Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betriebe flächenbezogen. Diese Flächenprämie müssen wir umstellen auf eine Qualitätsprämie. Dann würde ein Stallumbau oder das Halten von Kühen auf der Weide gefördert", so der Grünen-Politiker.