Was früher nur für Luxusartikel und wertvolle Elektronik galt, ist jetzt bittere Realität in Berlins Supermärkten: Selbst alltägliche Lebensmittel wie Rindergulasch und Fischfilet stehen neuerdings unter Diebstahlschutz. Zwischen Regalen und Kühltruhen sticht der gelbe Aufkleber ins Auge – ein Symbol für die eskalierende Ladendiebstahl-Krise und das Ohnmachtsgefühl der Händler. Die Kunden runzeln die Stirn, wenn sie das Vorhängeschloss-Symbol entdecken, und spüren: Etwas ist gründlich aus dem Lot geraten.
Die Maßnahmen der Discounter sind eine direkte Reaktion auf völlig neue Ausmaße der Langfingerproblematik, die längst ihren Weg aus Technik- und Kosmetiksegmenten in die Frischeabteilung gefunden hat. Nicht nur Kaffee, Kosmetik und Spirituosen sind betroffen, sondern jetzt auch empfindliche Lebensmittel – Gulasch, Entrecôte und norwegischer Lachs. Wer seinen Wocheneinkauf erledigen will, wird von gesicherten Produkten auf Schritt und Tritt begleitet. Das schwindende Gefühl von Normalität schlägt in Unbehagen um: Der Einkauf gleicht einer Bewährungsprobe für die Nerven, während dumpfe Ansagen durchs Geschäft hallen und Kameras jeden Schritt überwachen.
Für viele Kunden fühlt sich der einst so freie Gang durch die Supermarktregale wie eine Inszenierung der Unsicherheit und des Misstrauens an. Die neuen Schutzmechanismen sind sichtbarer Ausdruck des gesellschaftlichen Klimawandels: Die Angst vor Diebstahl verdrängt das Vertrauen, und der Alltag der Beschäftigten wird von ständiger Alarmbereitschaft geprägt. Wenn Fleisch, Fisch und Gulasch mit elektronischen Siegeln und Aufklebern vor Kleinkriminellen bewacht werden, ist der Supermarkt endgültig zur Festung geworden – und die Preisgabe alter Gewohnheiten unausweichlich.
