Islamunterricht
Die Frage, ob der Islam in bayerische Schulen gehört, ist überholt. Er ist schon lange da. Muslimische Kinder besuchen seit den 1960er Jahren bayerische Schulen. Sie alle bringen ihren Glauben und ihre Lebenswirklichkeiten mit in den Schulalltag. Überfällig aber ist die Entscheidung, wie die Schulen damit umgehen sollen. Dabei ist es grundsätzlich ein Widerspruch, dass Schulen als staatliche Einrichtungen überhaupt Religionsunterricht anbieten. Die Kritik daran ist so alt wie die Regelung selber: Was haben wissenschaftlich nicht überprüfbare Theorien, die allein auf abstraktem Glauben beruhen, in der Schule zu suchen? Die Antwort ist einfach, sie steht im Bayerischen „Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen“: Schulen sollen „Wissen und Können vermitteln sowie Geist und Köper, Herz und Charakter bilden“. Unterricht ist damit viel mehr als Wissensvermittlung. Im Idealfall hilft er bei der Selbstvergewisserung, bei der Verortung des eigenen Selbst im gesellschaftlichen Raum, regt zum Denken und Nachdenken an. Fragen nach Leben und Tod jenseits biologischer Fakten haben damit ebenso ihren Platz in der Schule wie die nach Schuld, Sühne und Moral. Im Fall des evangelischen und des katholischen Religionsunterrichtes sind es die Kirchen, die für die Inhalte des Unterrichts verantwortlich sind, Religionslehrer brauchen ihre Zulassung. Man kann das kritisieren, ein Vorteil aber liegt auf der Hand: Wer einen Glauben selber lebt, kann aus eigener Erfahrung darüber lehren, kennt Zweifel und Widersprüche. Unabdingbar, gerade wenn Religionsunterricht auch ein Ort der Selbstfindung sein soll. Die Alternative wäre ein konfessionsungebundener Religionsunterricht. Ethikunterricht, wie ihn viele Schulen als Alternative zum christlichen Religionsunterricht anbieten. Im Idealfall lernen Schüler hier alle Religionen gleichberechtigt kennen, finden auch hier Raum für existenzielle Fragen. Zwangsläufig aber bietet ein solcher Unterricht weniger Identifikationsraum als ein konfessionsgebundener Unterricht. Und er kann weniger auf die Tiefen religionsspezifischer Fragen eingehen. Dabei beschäftigen einen katholischen Jungen, der am Sonntag die Predigt in der Kirche gehört hat, andere Themen als einen muslimischen Jungen, der in der Moschee eine neue Sure im Koran kennengelernt hat. Oder ein muslimisches Mädchen, das sich fragt, ob es ein Kopftuch tragen soll. In Bayern sind laut Erziehungs- und Unterrichtsgesetz die „Ehrfurcht vor Gott“ und die „Achtung religiöser Überzeugung“ oberstes Bildungsziel. Wer das ernst nimmt, muss in den Schulen den Raum schaffen für alle religiösen Überzeugungen. Nicht nur für die christliche. Im Modellversuch zum Islamischen Unterricht hat Bayern einen guten Kompromiss gefunden, dem Islam als Religion Raum, als Ideologie aber keinen Platz zu lassen. Analog zum katholischen und evangelischen Religionsunterricht können Kinder hier ihre Religion entdecken, angeleitet von Lehrern, die diesen Glauben selber leben. Diesen Unterricht jetzt aufzugeben hieße, die religiöse Erziehung muslimischer Kinder jeglicher staatlicher Kontrolle zu entziehen und den Moscheen zu überlassen. Gelingt es stattdessen, in den Schulen jedem Einzelnen die Möglichkeit zu geben, seine eigene Religion kennenzulernen und sie qualifiziert zu hinterfragen, dann lernen Kinder schon hier, dass alle Religionen gleichberechtigt nebeneinanderstehen können. Dass sie an unterschiedliche Dinge glauben und dennoch miteinander spielen und lernen können. In einer Zeit, in der es Menschen gibt, die unter Berufung auf ihre Religion sich und andere töten, ist das vielleicht eines der wichtigsten Dinge, die sie überhaupt lernen können.
Mittelbayerische Zeitung