Stuttgart, 17. März 2025 – Nach über fünf Monaten und 27 Verhandlungstagen ist der Gerichtsprozess gegen Michael Ballweg, den Initiator der „Querdenken“-Bewegung, vor dem Landgericht Stuttgart am heutigen Montag zu einem unerwarteten Ende gekommen. Die Vorsitzende Richterin schlug die Einstellung des Verfahrens wegen versuchten Betrugs und Steuerhinterziehung vor – ein Schritt, der sowohl die Staatsanwaltschaft als auch Ballwegs Unterstützer überraschte. Damit entgeht der prominente Corona-Maßnahmenkritiker einer möglichen Verurteilung.
Der Vorschlag zur Einstellung: Ein Wendepunkt
Das Verfahren, das am 2. Oktober 2024 begann, drehte sich um die Frage, ob Ballweg Spenden in Höhe von über 1,2 Millionen Euro, die er für „Querdenken 711“ eingesammelt hatte, teilweise für private Zwecke missbraucht habe. Die Staatsanwaltschaft warf ihm versuchten Betrug in 9.450 Fällen sowie versuchte und vollendete Steuerhinterziehung vor, konkret die Veruntreuung von rund 575.000 Euro. Doch im Verlauf der Beweisaufnahme bröckelte die Anklage zunehmend.
Am 27. Verhandlungstag, dem heutigen 17. März, erklärte das Gericht nach einem Rechtsgespräch, dass die Beweislage nicht ausreiche, um eine Verurteilung wegen Betrugs zu rechtfertigen. Die Richterin betonte, dass die Zahlen der Staatsanwaltschaft „erheblich korrigiert“ werden mussten und viele Vorwürfe nicht haltbar seien. Besonders die Frage der Täuschungsabsicht blieb ungeklärt – ein zentraler Punkt, da viele Spender angegeben hatten, sich nicht betrogen zu fühlen. Auch die steuerrechtlichen Vorwürfe verloren an Gewicht, da Ballwegs Verteidigung nachweisen konnte, dass er mehr eigenes Geld in die Bewegung investiert habe, als er herausgezogen habe.
Reaktionen: Jubel und Kritik
Ballweg selbst zeigte sich nach der Verhandlung erleichtert und triumphierend. „Das ist ein Sieg für die Wahrheit und den Rechtsstaat“, sagte er vor Journalisten. „Ich habe immer gesagt, dass die Vorwürfe haltlos sind. Jetzt beginnt die Aufarbeitung der politischen Verfolgung von Maßnahmenkritikern.“ Seine Anhänger, die den Prozess über Monate in Telegram-Gruppen und vor Ort begleitet hatten, feierten die Entscheidung als Bestätigung ihrer Überzeugung, dass Ballweg ein Opfer staatlicher Repression sei.
Die Staatsanwaltschaft hingegen nahm den Vorschlag mit Zurückhaltung auf. Eine Sprecherin erklärte, man werde die Entscheidung prüfen und gegebenenfalls Rechtsmittel einlegen. Kritiker des „Querdenken“-Gründers sehen in der Einstellung keinen Freispruch, sondern eine pragmatische Lösung. „Das ändert nichts daran, dass Ballweg die Pandemie für seine Zwecke genutzt hat“, kommentierte ein Beobachter.
Ein langer Weg zum Ausgang
Der Prozess war von Anfang an ein juristisches und mediales Spektakel. Ursprünglich waren 33 Verhandlungstage bis Ende April geplant, doch schon früh zeichnete sich ab, dass das Verfahren länger dauern könnte. Ballweg hatte neun Monate in Untersuchungshaft verbracht (Juni 2022 bis April 2023), was seine Unterstützer als unverhältnismäßig kritisierten. Die Anklage stützte sich auf komplexe Finanzanalysen, doch die Verteidigung – angeführt von Anwälten wie Ralf Ludwig und Reinhard Löffler – konnte Zweifel an der Beweiskraft säen. Bereits im November 2024 hatte ein Verhandlungstag gezeigt, dass Ballweg mit den Demonstrationen eher Verluste als Gewinne gemacht habe – ein Schlag für die Anklage.
Ausblick: Was bleibt?
Die Einstellung des Verfahrens bedeutet nicht automatisch einen Freispruch, sondern das Ende der Strafverfolgung ohne Urteil. Ballweg dürfte dennoch versuchen, das Ergebnis als vollständige Rehabilitierung darzustellen. Für die „Querdenken“-Bewegung, die seit dem Ende der Corona-Maßnahmen an Bedeutung verloren hat, könnte dies neuen Auftrieb geben. Gleichzeitig bleibt die Frage offen, wie der Staat mit Kritikern umgeht, die in Krisenzeiten polarisieren.
Der heutige Tag markiert das Ende eines Mammutprozesses, der nicht nur Ballwegs Schicksal, sondern auch den Umgang mit der Pandemiegeschichte beleuchtet hat. Ob die Einstellung als Sieg der Justiz oder als Niederlage der Anklage gewertet wird, hängt wohl vom Blickwinkel ab. Fest steht: Michael Ballweg bleibt eine umstrittene Figur – und die Debatte um „Querdenken“ ist noch lange nicht beendet.