Medikamentenversuche in Kinderheimen: Uni Gießen geht Hinweisen auf Medikamentenversuche mit Kindern nach!

 

15.12.2016

Lisa Dittrich, Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Justus-Liebig-Universität Gießen

 

Institut für Geschichte der Medizin mit umfangreichen Archiv-Recherchen befasst

Vor wenigen Wochen hat die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) erfahren, dass es offenbar Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen der Gießener Nervenklinik und Medikamententests an Kindern in der Nachkriegszeit gibt. Laut einem Forschungsbericht der Pharmakologin Sylvia Wagner wurde das noch nicht marktreife Medikament „H 502“ der Firma Merck im Jahr 1959 für den Gießener Psychiater Dr. Hans Heinze junior bestellt. Um in Erfahrung zu bringen, ob das Medikament in Gießen an Testpersonen ausprobiert wurde, hat die JLU eigene umfangreiche Nachforschungen angestoßen.

Die Recherchen von Prof. Dr. Volker Roelcke vom Institut für Geschichte der Medizin in den Akten der damaligen Neuropsychiatrischen Klinik haben mittlerweile bestätigt, dass Dr. Hans Heinze junior von Mitte 1957 bis August 1961 als Assistenzarzt in Gießen tätig war, bevor er 1961 als Oberarzt an die niedersächsische Landesanstalt Wunstorf bei Hannover gewechselt ist. Leider liegt im Universitätsarchiv keine Personalakte zu ihm vor – in den vorhandenen Personalakten des damaligen Klinikleiters und der drei Oberärzte findet sich kein Hinweis auf entsprechende Medikamentenstudien in der Neuropsychiatrischen Klinik.

Bevor die JLU eine sehr umfangreiche Recherche in den noch vorhandenen Patientenakten beginnt, möchte Prof. Roelcke zunächst in einer anderen Richtung Nachforschungen anstellen: Da die von Wagner beschriebenen Medikamentenversuche zum großen Teil nicht an regulären Psychiatriepatienten, sondern in Kinderheimen etc. durchgeführt wurden, wird er zunächst mögliche Kooperationen der Nervenklinik mit derartigen Einrichtungen überprüfen.

Darüber hinaus wird Roelcke beim Landesarchiv Niedersachsen um Recherchen in der Personalakte von Hans Heinze senior bitten. Der Vater des Gießener Assistenzarztes war in Wunstorf Leiter der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und hat seinen Sohn 1961 ebenfalls nach Wunstorf geholt. Er gilt nicht nur als zentrale Figur in den von Wagner beschriebenen Medikamententests, sondern auch als einer der Haupttäter bei der Ermordung von behinderten Kindern im Nationalsozialismus. Für die Gießener Recherchen dürfte insbesondere die Korrespondenz mit seinem Sohn von Interesse sein. Eine Personalakte von Heinze junior findet sich auch im Landesarchiv Niedersachsen nicht.

Die Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) wird die Öffentlichkeit über weitere Erkenntnisse auf dem Laufenden halten.

 

 

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