Ökonomen besorgt über starkes Abschneiden der AfD in Ostdeutschland

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Ökonomen haben besorgt auf das starke Abschneiden der AfD in Ostdeutschland bei den Europawahlen reagiert. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, sprach im "Handelsblatt" von einem "Armutszeugnis für die etablierte Politik". Die großen Parteien hätten den Europawahlen zu wenig Bedeutung beigemessen und "konnten letztlich viele Bürgerinnen und Bürger nicht überzeugen", sagte Fratzscher der Zeitung.

Nun sei zu erwarten, dass die Rechtspopulisten auch bei den anstehenden Landtagswahlen "sehr stark" abschneiden. Mit negativen wirtschaftlichen Effekten rechnet Fratzscher deshalb aber nicht. "Ich bezweifle, dass die AfD in irgendeinem Bundesland Regierungsverantwortung übernehmen könnte", sagte er. "Trotzdem ist es wichtig, dass die etablierten Parteien endlich überzeugende Konzepte vorlegen, wie auch in Ostdeutschland mehr wirtschaftliche und soziale Chancen entstehen können und der wirtschaftliche Aufholprozess fortgesetzt werden kann." Ähnlich äußerte sich der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. Die Ergebnisse für die AfD seien regional gesehen "tatsächlich beängstigend", sagte Schmieding dem "Handelsblatt". Wirtschaftlich gesehen seien sie es allerdings nicht. "Die AfD wird auf absehbare Zeit keinerlei Einfluss auf die deutsche Wirtschaftspolitik nehmen können", ist der Ökonom überzeugt. Bei etwa 11 Prozent, die die AfD bundesweit bei der Europawahl erzielt habe, leide der Ruf des Standorts Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern nicht. "Selbst an ostdeutschen Landesregierungen wird sie vorläufig nicht beteiligt sein." Für "politisch bedenklich" hält Schmieding indes die "starke Diskrepanz" zwischen alten Bundesländern, in denen vor allem die Grünen auf Kosten der alten Volksparteien zugelegt hätten, und den neuen Ländern, in denen stattdessen die Rechtspopulisten erstarkt seien. "Auf Dauer kann die mangelnde Weltoffenheit den ohnehin schleppenden Aufholprozess der neuen Länder weiter verzögern beziehungsweise innerhalb dieser Länder die Kluft zwischen einigen blühenden Metropolen wie Berlin, Leipzig und Erfurt einerseits sowie den eher abgelegenen Regionen noch weiter vertiefen", warnte der Ökonom.