Online-Bezahldienste als politisch-moralische Instanz

Der Trend zur Abschaffung des Bargeldes ist nicht neu und bricht sich mit unterschiedlichsten Argumentationen die Bahn. Es ist müßig, die Argumente dafür oder dagegen zu wiederholen. Der große Nebeneffekt dieser Entwicklung (oder doch initiale Absicht) ist die absolute Kontrolle der Bürger über ihr Geld. Ein Mensch, der nicht mehr über Bargeld verfügt oder verfügen kann (eigenes Geld), ist praktisch zu jedem Zeitpunkt im Handumdrehen „abzuschalten“. Dazu genügt eine Anweisung von „kompetenter Stelle“ und schon ist der Vorgang, rechtens wie leise und kosmetisch sauber über die Bühne gebracht. Dem Delinquenten wurde praktisch der Stecker gezogen und er ist ohne seine Mittel im Nu handlungsunfähig.

Ob und inwieweit das am Ende alles rechtens ist, kann sich, soweit der Betroffene die Kraft und anderweitige Reserven dafür hat, in einem endlosen wie teuren Rechtsstreit klären lassen. Es wird immer absurder, wie selbst dieser Beitrag belegt: Kommt ein Bargeldverbot für Richter und kommunale Mandatsträger? Ähnlich wie bei der guten, alten und bewährten Lynchjustiz, wird es aber nur sehr wenig bis gar keine Klagen geben. Solange sich die online-Bezahldienste an sogenanntes „geltendes Recht“ halten, was im Einzelfall schon mal echtes Unrecht sein kann, ist die Welt des kontrollierten Geldes in Ordnung. Die Welt der Freiheit, für die Individuen, hat aber genau dadurch einen weiteren starken Knacks bekommen. Aber wen interessiert das noch in einer Welt, die sich ohnehin gerade größte Mühe macht die Individualität abzuschaffen?

Politisch und/oder moralisch

Neben den bereits beschriebenen Folgen sieht beispielsweise das Manager-Magazin noch diese Konsequenz: Die wahren Folgen der Bargeld-Abschaffung – Es wird ernst mit der Enteignung. Das ist sicher mehr auf die kombinatorische Wirkung mit der aktuellen Null- und Negativzinspolitik zurückzuführen. Zu vernachlässigen ist der Gedanke allerdings nicht. Selbst hier braucht es wieder die absolute Kontrolle, die sich eben nicht sonderlich gut mit der Freiheit der Menschen verträgt. Letztlich ist es schon die Politik, die zumeist in entsprechenden Gesetzen mündet und den Bürger dann „wohlwollend“ in den Würgegriff nimmt und dafür zu jeder Zeit dieselben Argumente ins Feld führt: Terror und Kriminalität. Die sind zwar längst widerlegt, aber die Gebetsmühle tut’s noch.

Interessanterweise satteln die Online-Bezahldienste dann gerne ihre eigene moralische Komponente oben drauf, aus eigenem Antrieb. Hier stellen sie ihre konzernierten Wertvorstellungen sogar noch über die politisch/rechtlichen Vorgaben. Sie feiern sich nicht nur selbst dafür, nein sie werden gerne auch von der Politik dafür noch gelobt, weil sie das Gesetz quasi übererfüllen. Die moralische Untermalung macht einfach ein gutes Gewissen. Die Debatte darum, wer heutzutage beurteilt was moralisch ist und was nicht, die ersparen wir dem bargeldlosen Leser an dieser Stelle lieber, denn sie wäre ein Fass ohne Boden.

Zeit der Abwägung ist längst vorbei

Im Rahmen der soeben aufgezeigten, oftmals firmeninternen Moralvorstellungen, werden unterschiedlichste Doktrin und Thesen in den Führungsetagen der Online-Bezahldienste entwickelt. Das führt zur scharfen Ausgrenzung bestimmter Branchen oder Anbieter. Die so Geschassten können dann die Bezahl-Dienstleistungen besagter Anbieter eben nicht mehr in Anspruch nehmen. Die Geschäftsfreiheit rangiert natürlich über der Diskriminierung. So eine Art Kontrahierungszwang, wie es den für manche Banken gibt, um jedem ein Konto (für die staatliche Kontrolle) zu ermöglichen, gibt es bei diesen Dienstleistern nicht.

Solange die Moral stimmt muss man das auch nicht bis zu Ende diskutieren. So berichtete beispielsweise Wallstreet-Online. Hauptthema waren die Gebührenerhöhungen von Paypal. Trotz gesteigerter Gewinne möchte das Unternehmen darauf nicht verzichten. Schließlich muss man hinlangen solange man noch eine Pole-Position hat … zur Wahrung der doppelten Moral. Abgesehen davon ist „Gier“ durchaus eine anerkannte Eigenschaft des „Kapitalismus“ den man zeitgemäßer mit Neoliberalismus beschreibt.

Die Auswirkungen dieser Geschäftspolitik bekamen demnach diverse Online-Glücksspielanbieter zu spüren. Gute Etikette und unternehmerische Moralvorstellungen haben im Zweifel ihren Preis. Ob der selbstverschuldete Umsatz- und Gebührenausfall bei Paypal, durch das bewusste Auslassen der Glücksspielanbieter ein ergänzender Grund für die neuerliche Gebührenerhöhung war, ist selbstverständlich reine Spekulation. Gesichert ist nur, dass sich unternehmerische Richtlinien, wie das Wetter, von einem Moment zum nächsten ändern können.

Unfreiheit und Abhängigkeit sind garantiert

Insoweit sind die Randaspekte der unter politischem Einfluss erodierenden Firmenphilosophien recht interessant. Gibt sich das Bargeld generell neutral und interessiert sich nicht im Geringsten dafür, ob es für einen Lebensmitteleinkauf, für ein liebevolles Geschenk oder aber Waffen, Drogen und Prostitution den Besitzer wechselt. Hier kommen jetzt neben den rechtlichen Erfordernissen noch die jeweiligen moralischen Ansprüche der Bezahl-Anbieter hinzu, die dann die Verwendung fremden Eigentums gemäß ihrer eigenen Doktrin beschränken. Auch das ist das Gegenteil von Freiheit und man muss es exakt als das benennen was es ist. Das alles bewegt Menschen dazu aktiv zu werden. Das Erkennen der Gefahr ist der erste Schritt.

Neben den staatlichen Regelungen belasten uns also ergänzend private Moralvorstellungen. Wer hätte sich so etwas mit Bezug auf das Geld (unser Heiligtum) jemals träumen lassen? Das mag der Einzelne gut oder schlecht finden. Fest steht, dem Geld wurde gerade die Neutralität geraubt und das vornehmlich aufgrund von Moralvorstellungen und weniger auf rechtlicher Basis. Wie es nun aussieht, kann uns unser Geld, in Kombination mit Recht und vermeintlicher Moral, sehr wohl am Nasenring durch die neoliberale Mange zerren. Derzeit ist nicht einmal sichergestellt, dass man solchen Auswirkungen durch den Wechsel seines Online-Bezahl-Anbieters entgehen kann.