#Polizei-#Konflikte: Eine Innenansicht!

 

Von Steffen Meltzer.

Gegen die Führung der Berliner Polizei gibt es inzwischen eine lange Liste von Vorwürfen. Eine Schießstand-Affäre mit toten und erkrankten Polizisten, Vorkommnisse an der Polizeiakademie, Strafanzeigen und gefälschte Zeugnisse werden immer wieder medial genannt. Der Umgang mit diesen Problemen, kommt mir auch als Brandenburger Polizeibeamter sehr bekannt vor.

Statt einer Konfliktbewältigung und Fehlerkultur erscheint mir ein altbekanntes Muster, eine  Erfolgsmelde-und Schönschreibekultur. Es ist scheinbar überall das Gleiche. Unmengen an zahnlosen Papiervorlagen, Führungsleitlinien mit trivialen Inhalten und wichtigtuerische Workshops mit viel Tamtam prägen in der Theorie das Leitbild. Ein archaisches Konfliktverhalten aus dem vergangenen Jahrtausend ist dagegen nicht selten die Realität. Kein Wunder, dass viele Beamte den anonymen Weg über die Medien bevorzugen, um nicht Mut mit Leichtsinn zu verwechseln.

Denn der Beamte muss mit Pranger oder Verbannung rechnen. Konkret mit der Versetzung an einen von zuhause weit entfernten Dienstort. Das entspricht  der weit verbreitete Kultur des Mobbings. „In Deutschland gilt derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als derjenige, der den Schmutz macht“ …wusste schon Kurt Tucholsky zu berichten.

In Brandenburg 10 Prozent Krankenstand bei Polizeibeamten

Geändert hat sich seitdem nach meiner Wahrnehmung nichts. Wer als Beamter meint Überbringer schlechter Nachrichten sein zu müssen und innerhalb der Behörde fair Missstände klären zu können, läuft Gefahr seine Offenheit bald an einem anderen Ort praktizieren zu müssen. Alte und neue Verwaltungen und Polizeiführer kommunizieren dann eifrig untereinander, um dem Sachkritiker am nunmehr neuen Dienstort eine liebevolle Betreuung angedeihen zu lassen..

Hierfür wurde von dem Psychologen und Professoen für Arbeits- und Organisationspsychologie Dieter Zapf der Begriff „Systemmobbing“ geprägt. Die Folgen können schwere Erkrankungen wie etwa Depressionen oder Herzinfarkt sein, wenn nicht gar der Freitod gewählt wird. Die hohen Krankenstände in der Polizei sprechen eine deutliche Sprache, in Brandenburg betreffen diese seit Jahren kontinuierlich mehr als 10 Prozent der Belegschaft. Jedes Unternehmen würde daran zugrunde gehen.

Man darf sich in solchen Fällen einen Anwalt nehmen und die Auseinandersetzung auch öffentlich machen – wenn man innerhalb seiner Behörde kein Gehör findet und dadurch persönlich geschädigt wurde. Ursula Sarrazin hat das eindrucksvoll bewiesen, allerdings als pensionierte Lehrerin. Über die Folgen muss man sich allerdings im klaren sein.

Wenn sich Kollegen wegen Mobbings an mich wenden rate ich ihnen, sich auf keinen Fall an die behördlichen „Mobbingbeauftragten“ innerhalb der Polizei zu wenden. Deren Aufgabe ist es eher, Mobbingfälle unauffällig zu entsorgen. Diese müssten nämlich gegen den Dienststellenleiter ermitteln, dem sie zugleich unterstehen. Ein hausgemachter Treppenwitz. Deshalb gibt es offiziell auch keine menschenverachtenden Umgangsweisen innerhalb der Polizei. In Brandenburg werden erst gar keine Statistiken über Mobbingbeschwerden erstellt.

Die Berliner Art Konflikte in hierarchischen Strukturen zu lösen, dringt auch immer mal wieder nach draußen. Eine konstruktive Kritik sei bei dieser Polizeiführung nicht erlaubt, berichtet das das Mitglied des Innenauschusses Maik Penn, ein ehemaliger Berliner Polizist. Aussitzen, abstreiten, mit Strafanzeigen drohen sind in solchen Fällen oft die Mittel der Wahl. Die Karriere des Betreffenden ist ohnehin kein Thema mehr. Da ist es wirklich angebracht, lieber einen anonymen Brief zu schreiben. Oder noch besser in Deckung zu bleiben, will man am bestehenden Dienstort überleben. In den Chefetagen nimmt man nach meiner Wahrnehmung Kritik als Majestätsbeleidigung auf und keineswegs in der Sache. Man sollte sich deshalb wirklich gut überlegen überlegen, ob man remonstriert.

Statt mehr Stellen eine kurierte Statistik

Spötter sagen, die Anzahl narzisstisch geprägter Führungskräfte mit Ellenborgenmentalität korreliere mit dem Stellenabbau in der Polizei. So erklärte einst ein Brandenburger SPD- Innenminister den verblüfften Gewerkschaftsmitliedern der Gewerkschaft der Polizei (GdP) allen Ernstes, dass man nach der Grenzöffnung nach Osteuropa nicht mit einem Anstieg der Grenzkriminalität gerechnet habe.

Parallelen zur Flüchtlingskrise sind keineswegs zufällig. Statt Stellenaufwuchs erfolgte  Stellenabbau und eine vorteilhaftere Art der Erfassung der Brandenburger Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Vor allem aufgrund des öffentlichen Drucks musste die einst so schöne PKS wieder „korrekt“ nach den Vorgaben des BKA geführt werden.

Nur wenige Menschen sind zum Helden geboren und selbst die abgeminderte Form davon, man nennt sie „Zivilcourage“ kann schnell existenzbedrohend werden. Ein geschicktes System von „Lob und Tadel“ verhindert, dass Konflikte hervor geholt werden, um diese produktiv zu klären.

Dabei sind Konflikte gar nichts schlechtes, sie tragen dazu bei, dass sich Institutionen und ihre Mitarbeiter weiter entwickeln können. Nur dort, wo noch die antiquierte Strategie „Ober sticht Unter“ vorherrscht, in denen Dienststellungen über Sachinhalte obsiegen, Vorgesetzte ungehindert ihre Macht gegenüber Unterstellten missbrauchen, herrscht das beklemmende Klima von Duckmäusertum, Denunziation und der Doppelmoral.

Das Beamtenprinzip „Eignung, Leistung und Befähigung“ wird ad absurdum geführt, wenn „Beurteilungen“  im Öffentlichen Dienst folgenlos als Repressionsmittel eingesetzt werden können, solange dabei keine Formfehler begangen werden. Ein vorgesetzter Hauptkommissar hat schlußendlich die Macht, einem Mitarbeiter verminderte kognitive Fähigkeiten zu bescheinigen. Kritik über heißt in vielen Fällen immer noch: „Karriere beendet“ – egal wie verdient ein Kollege auch sein mag.

Steffen Meltzer, Buchautor von „So schützen Sie Ihr Kind! Polizeitrainer vermittelt Verhaltensrichtlinien zur Gewaltabwehr“ und „Ratgeber Gefahrenabwehr: Wie Sie Gewalt- und Alltagskriminalität in der Gesellschaft begegnen“.

 

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