“Revolution Chemnitz”: Mutmaßlicher Rädelsführer suchte offenbar Kontakt zum Verfassungsschutz

Der Hauptbeschuldigte im Verfahren um die mutmaßlich terroristische Vereinigung “Revolution Chemnitz” soll sich nach Informationen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung 2015 dem sächsischen Verfassungsschutz als V-Mann angeboten haben. Zudem habe es bereits 2005 und 2006 Kontakte zwischen K. und dem Dienst gegeben. Dies geht unter anderem aus einem Papier des Geheimdienstes hervor, das im Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer rechtsterroristischen Vereinigung namens “Revolution Chemnitz” eine Rolle spielt. Der Generalbundesanwalt hat in dem Verfahren nun Anklage erhoben.

Die ursprünglichen Kontakte zwischen Christian K. und der Behörde seien durch Vermittlung mehrerer Verwandter zustande gekommen. Nach Recherchen von NDR, WDR und SZ soll sich der Lebensgefährte von Christians K.’s Mutter bereits 2005 an die Behörden gewandt haben. Er habe dem Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen (LfV-Sachsen) mitgeteilt, dass der damals 18-jährige Christian K. in der rechten Szene sei, und erkundigte sich nach Möglichkeiten zum Ausstieg.

Der Verfassungsschutz führte daraufhin offenbar Gespräche mit Christian K. und seiner Mutter. Damals habe K. aus der rechtsextremen Szene aussteigen wollen. Nach anfänglichen gescheiterten Versuchen innerhalb Sachsens zog K. dann mit seiner damaligen Lebensgefährtin und mit Wissen des LfV Sachsen nach Hessen um. Der Verfassungsschutz vermittelte K. angeblich nicht nur an die Arbeitsagentur, sondern informierte auch das Landeskriminalamt in Hessen über den Zuzug des angeblich ausstiegswilligen Christian K.. Doch der Versuch scheiterte: K.s Beziehung zu seiner Lebensgefährtin soll kurz nach dem Umzug zerbrochen sein. Nach Aktenlage meldete sich K. Ende 2006 erneut beim LfV Sachsen und bat um Rückkehrhilfe, was man dort – den Unterlagen zufolge – verweigerte. Ob es damals auch um eine mögliche V-Mann-Tätigkeit ging, ergibt sich aus dem Papier nicht – eine entsprechende Anfrage ließ das LfV Sachsen unbeantwortet.

K. machte sich in den Folgejahren immer wieder strafbar, musste sich unter anderem wegen Raubdelikten und Diebstahl verantworten. K. blieb in der rechten Szene. Nach Informationen von NDR, WDR und SZ schloss er sich der inzwischen verbotenen rechtsextremistischen Organisation “Sturm 34” an und gehörte offenbar sogar zu deren führenden Köpfen, wie es in Sicherheitskreisen heißt. Über einen Kontakt zum LfV Sachsen und darüber, ob die Behörde ihn noch im Blick hatte, ist aus dieser Zeit nichts bekannt.

2015, so steht es in Unterlagen, die NDR, WDR und SZ einsehen konnten, nahm K. seinerseits Kontakt zum sächsischen Verfassungsschutz auf. Der unterdessen 28-Jährige war zu diesem Zeitpunkt in der Justizvollzugsanstalt Dresden inhaftiert. Nach anfänglichem Zögern sei es dann Ende 2015 zu einem Treffen gekommen, heißt es in den Dokumenten. Nach Darstellung des LfV in dem entsprechenden Aktenblatt habe Christian K. V-Mann für den Verfassungsschutz werden wollen, dies habe das Amt jedoch zu keinem Zeitpunkt erwogen.

Sowohl zum Tatvorwurf seiner mutmaßlichen Rädelsführerschaft bei “Revolution Chemnitz” als auch zu den Kontakten mit sächsischen Sicherheitsbehörden wollte sich Christian K. auf Anfrage nicht äußern.

K.s Wissen hätte für die Verfassungsschützer, aber auch für Ermittlungsbehörden zu diesem Zeitpunkt durchaus interessant sein können. K hatte mutmaßlich Kenntnis über die rechtsextreme Szene im Großraum Chemnitz, die enge Verbindungen zur Terrorgruppe NSU unterhalten haben soll. Zudem gab es im Großraum Chemnitz mehrere gewaltbereite Kameradschaften, zu denen Christian K. möglicherweise Informationen hätte geben können. Allerdings hatten die Behörden damals bereits Bedenken, Rechtsextreme – wie Christian K. – als V-Leute zu führen. Offenbar ging man so auseinander, dass K. an ein Aussteigerprogramm vermittelt werden sollte. Ob dies zustande kam, will das sächsische Innenministerium nicht bestätigen. Aus K.s Umfeld hieß es, er habe in Haft und danach Kontakte zu einem Mitarbeiter des Aussteigerprogrammes unterhalten. Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz wollte sich auf Anfrage zu den Vorgängen nicht äußern.

Seit dem Start des sächsischen Aussteigerprogrammes vor acht Jahren wollten mit dessen Hilfe 66 Rechtsextremisten aus der Szene aussteigen, geschafft haben es nach Angaben des sächsischen Innenministeriums lediglich neun Personen.

Siehe auch http://ots.de/afWlA6

 

Norddeutscher Rundfunk