Röttgen kritisiert Macron-Vorschläge als "Methode Sammelsurium"

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen (CDU), ist auf Distanz zu dem neuen europapolitischen Vorstoß von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron gegangen. "Ich kritisiere sowohl Macrons Methode, als auch seine inhaltlichen Vorstellungen", sagte Röttgen dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Mittwochsausgaben). "Es ist die Methode des Sammelsuriums, bei der viele Überschriften geliefert werden, die mehr Fragen aufwerfen als Antworten zu geben." Überall und an jeder Stelle sei nach Macrons Darstellung Europa gefordert.

"Das halte ich für falsch. Statt Sammelsurium brauchen wir Fokussierung. Es muss genau beschrieben werden, wo Europa Fortschritt bedeutet und wie dieser Fortschritt erreicht werden kann", so Röttgen. Macrons Ideen seien zu unkonkret. "Es bleibt unklar, was die Vorschläge bedeuten." So sei der Vorschlag einer europäischen Hackeragentur zu vage. Grundsätzlich sei Macrons Vorschlag, viele neue Behörden und Institutionen zu gründen, nicht überzeugend. "Das europäische Problem ist nicht ein Mangel an Institutionen", sagte Röttgen dem RND. Der Macron-Vorstoß habe dennoch den Erwartungsdruck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine eigene Positionierung erhöht, so Röttgen weiter. Merkel müsse sich zwar "in der Form nicht ähnlich" positionieren. "Aber ich fände es positiv, wenn jetzt andere Vorschläge kommen, wie man sich Europa vorstellt, auch aus Deutschland", sagte der CDU-Politiker. Auch der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), forderte eine rasche Reaktion auf Macrons Vorschläge: Er freue sich auf die Diskussion mit den französischen Freunden. "Wir sollten sie nicht warten lassen", sagte Roth dem RND. Macron sei ein "mutiger Kämpfer, der die europapolitische Arena nicht den Nationalisten und Populisten überlässt. Von dieser Haltung könnte sich manche und mancher in der EU eine Scheibe abschneiden." Roth nannte es richtig, dass der französische Präsident dem Schutz der Bürger Europas eine zentrale Rolle einräumt. Außerdem habe er die sozialdemokratische Idee aufgegriffen, eine soziale Grundsicherung überall in der EU einzuführen. Er vermisse allerdings eine Antwort auf die Infragestellung des Wertefundaments im Inneren der EU, so Roth: "Wir müssen in allen Mitgliedstaaten die Lage von Rechtsstaatlichkeit und Grundwerten regelmäßig überprüfen. Ich schlage dafür eine Art Grundwerte-TÜV vor." Anders als Röttgen zeigte sich der Vize-Generalsekretär der CSU, Florian Hahn, zufrieden mit Macrons Vorschlägen: "Das geht inhaltlich in die richtige Richtung", sagte Hahn dem RND. "Drei Viertel der Vorschläge können wir unterschreiben. Das gilt zum Beispiel für die europäische Asylbehörde und für die Hackeragentur, die bei uns Cyberbrigade heißt. Beim Mindestlohn sind wir anderer Ansicht: Eine übergreifende europäische Lösung macht da keinen Sinn." Der Linken-Vorsitzende Bernd Riexinger warf Macron vor, falsche Schwerpunkte zu setzen: "Europa geht nur solidarisch – die EU muss von Grund auf sozial werden, oder sie ist zum Scheitern verurteilt", sagte Riexinger dem RND. "Die sozialen Rechte und der Schutz der Umwelt müssen rechtlich gleichgestellt werden mit den Privilegien der Wirtschaft und des Kapitals." Neben EU-weiten verbindlichen Sozialstandards braucht es laut dem Linken-Chef den Willen, die Profite denen zukommen zu lassen, die sie ermöglichen: "den Beschäftigten und der Umwelt", so Riexinger. "Die umfassende Besteuerung von Konzernen und Vermögenden ist dafür entscheidend." Der Linken-Vorsitzende kritisierte zudem Macrons Vorschläge gegen den sich verstärkenden Nationalismus in Europa: "Macron will den Vormarsch von Nationalisten wie Viktor Orbán stoppen. Durch Stacheldraht an den Außengrenzen und Grenzsoldaten gegen Geflüchtete? Wer das ernsthaft als europäische Antwort gegen rechte Hetze und soziale Ungleichheit anbietet, hat die viel zitierten europäischen Werte von Humanität, Demokratie und Freiheit nicht verinnerlicht", beklagte Riexinger.