SPD und Union streiten um Verfassungsschutzgesetz

Boris Pistorius, über dts Nachrichtenagentur

Hannover (dts Nachrichtenagentur) – Union und SPD werfen sich wechselseitig vor, die schon lange geeinte Reform des Verfassungsschutzgesetzes mit der Einführung der so genannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) zu blockieren. "Eine Einigung zwischen Union und SPD für die Quellen-TKÜ ist seit Monaten in trockenen Tüchern. Die Unionsfraktion im Bundestag blockiert aber aus taktischen Gründen das neue Verfassungsschutzgesetz", sagte der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (Donnerstagausgaben).

Die Union wolle auf diesem Weg das auch anstehende Unternehmensstrafrecht ausbremsen. "Das ist völlig sachfremd", kritisierte Pistorius. "Die fatale Folge ist, dass der Verfassungsschutz nicht so agieren kann, wie er es müsste, um das Land vor Terroranschlägen so gut wie möglich zu schützen", so der SPD-Politiker. Die Union versündige sich mit der Verzögerung an der Sicherheitslage im Land. Pistorius forderte CDU und CSU auf, den Weg für die erste Lesung des Gesetzes im Deutschen Bundestag freizumachen. "Der Bundesinnenminister wird nicht müde zu erklären, was der Verfassungsschutz an Kompetenzen braucht und dass dazu auch die Quellen-TKÜ gehört. Nun muss es zügig mit dem parlamentarischen Verfahren und schließlich der Verabschiedung des lange erwarteten Verfassungsschutzgesetzes weiter gehen", forderte er. Entscheidend sei, dass das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird, sonst müsse man nach der Bundestagswahl von vorne anfangen. "Es wird höchste Zeit, dass die Union von der Bremse geht." Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsbundestagsfraktion, Thorsten Frei (CDU) wies die Vorwürfe scharf zurück. "Die Behauptung, die Unionsfraktion würde die parlamentarische Beratung der Reform des Verfassungsschutzgesetzes verhindern, ist schlichtweg falsch", sagte Frei dem RND. "Richtig ist das Gegenteil: Die SPD blockiert." Wenn die SPD ihre Blockade aufgebe, könne man die Anpassung des Bundesverfassungsschutzgesetzes sofort auf die Tagesordnung der nächsten Sitzungswoche des Bundestages setzen, sagte Frei. Die Unionsfraktion habe immer betont, dass der Verfassungsschutz dringend neue Instrumente zur Telekommunikationsüberwachung benötige, sagte der Unionspolitiker. "Die SPD will diese Reform aber mit dem Gesetzentwurf zum Unternehmenssanktionsrecht verknüpfen, obwohl beide Gesetze gar nichts miteinander zu tun haben. Diese Verknüpfung ist natürlich Unsinn und wir werden uns auf diesen Kuhhandel nicht einlassen." Der Gesetzentwurf zum Unternehmensstrafrecht würde die unter der Pandemie leidende Wirtschaft weit über Gebühr belasten, so Frei. Bislang habe das Bundesjustizministerium die fachliche Kritik an dem Entwurf auch überhaupt nicht berücksichtigt. "Der Gesetzentwurf zum Unternehmenssanktionsrecht ist deshalb weit von einer Verabschiedung im Parlament entfernt", sagte der CDU-Politiker. Union und SPD hatten sich bereits im vergangenen Sommer auf neue Befugnisse für den Verfassungsschutz geeinigt. Bislang allerdings ist das Verfassungsschutzgesetz nicht im parlamentarischen Verfahren angekommen. In der großen Koalition passiert es häufiger, dass Union oder SPD Gesetze, auf die der jeweils andere Koalitionspartner pocht, aufhalten oder eigene Projekten verknüpfen. Dass aber beide Seiten behaupten, die jeweils andere stehe auf der Bremse, ist ein Kuriosum. Im konkreten Fall soll die ursprüngliche Verknüpfung nach RND-Informationen auf die Union zurückgehen, die damit das Verfassungsschutzgesetz beschleunigen und das Gesetz zum Unternehmensstrafrecht verlangsamen wollte. Die SPD hatte über ihre Positionierung zur Quellen-TKÜ lange gestritten. Dieser Streit ist aber inzwischen beigelegt, so dass das Verfassungsschutzgesetz beschlossen werden könnte. Nun aber pocht die SPD auf die Verknüpfung, um das Unternehmensstrafrecht ebenfalls noch auf den Weg zu bringen. Das allerdings will der Wirtschaftsflügel der Union unbedingt verhindern. Deshalb ist die Koalition in dieser Frage handlungsunfähig.

Foto: Boris Pistorius, über dts Nachrichtenagentur