Trittin: "NATO ist geprägt von tiefen Interessengegensätzen"

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Der Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin sieht die NATO in einer schweren Krise. "Die NATO ist geprägt von tiefen Interessensgegensätzen, und für bestimmte Fälle haben wir heute den Zustand erreicht, dass NATO-Mitglieder sich untereinander militärisch bedrohen und angreifen. Ich glaube, das muss man thematisieren und das muss geändert werden, und dann wird man sich zudem darüber unterhalten müssen, welche Sicherheitsinteressen Europas werden eigentlich von anderen NATO-Partnern bedroht", sagte Trittin am Donnerstag dem Deutschlandfunk.

Man habe ein "massives Interesse" daran, dass es nicht zu einem "nuklearen Wettrüsten im Nahen Osten" komme. "Die Kündigung des Iran-Abkommens durch die USA wird aber genau dies möglicherweise zur Folge haben. Auch hier stellen wir fest: Wir haben eine Situation, wo elementare Sicherheitsinteressen Europas durch das Handeln eines NATO-Partners massiv in Frage gestellt werden", so der Grünen-Politiker weiter. Man brauche ein "höheres Maß an Resilienz" und man müsse in der Lage sein, "so etwas wie das Iran-Abkommen zu retten, trotz der Sanktionen der USA". Das habe Europa, "allen Versprechungen zum Trotz", bis heute nicht hinbekommen. Man könne sich in den Nachbarschaftskonflikten, "zum Beispiel dem Zerfall und der Zerstörung Libyens und der daraus resultierenden Gefährdung für Europa", nicht auf die USA verlassen. Dies seien Konflikte, die man selbst lösen müsse, "zum Beispiel, indem wir diesen dauerhaften Interessenkonflikt zwischen Italien und Frankreich, die jeweils unterschiedliche Kriegsparteien in Libyen unterstützen, tatsächlich in den Griff bekommen", sagte Trittin. Dabei werde die NATO überhaupt nicht helfen können. "Die NATO ist gut für symmetrische Abschreckung gegen Osten. Dafür brauchen wir sie, dafür sollten wir sie erhalten. Aber sie deckt bei Weitem heute nicht mehr das gesamte Spektrum von Sicherheitsfragen ab, die wir in Europa haben", so der Grünen-Außenpolitiker weiter. Wenn Europa nicht "zum Spielball eines neuen Kalten, im Wesentlichen Wirtschaftskrieges zum Beispiel zwischen den USA und China" werden wolle, dann werde man sich auf die "eigene europäische Stärke" konzentrieren müssen. "Mein Eindruck ist, dass immer mehr Staaten in Europa, übrigens auch Staaten, die ihre Erfahrungen zum Beispiel im Rahmen der `One Belt, One Road`-Initiative mit China gemacht haben, dieser Notwendigkeit bewusst werden", sagte Trittin dem Deutschlandfunk. Man brauche eine "gemeinsame Außenpolitik" und in der Folge bedürfe es auch "in bestimmten Bereichen gemeinsamer militärischer Anstrengungen", so der Grünen-Politiker.