Urteil: Bundesarbeitsgericht verbietet Spähsoftware Abwehrkampf!

 

Bielefeld – Wieder einmal hat ein höchstes deutsches Gericht einen Pflock eingeschlagen gegen die Entwicklung zum komplett gläsernen Menschen. Bislang hält die Justiz Kurs: Das Bundesverfassungsgericht kassiert ein ums andere Mal ausufernde Formen von Telekommunikationsüberwachung; der Bundesgerichtshof setzt der Videospionage im öffentlichen Raum enge Grenzen; und das Bundesarbeitsgericht verbietet nun den Einsatz von Keyloggern, die jeden Tastaturanschlag registrieren, um jede Arbeitsminute eines Angestellten zu kontrollieren. Die Urteile könnten beruhigen – wäre da nicht die Tatsache, dass die Gerichte einen Abwehrkampf führen, von dem längst nicht entschieden ist, ob sie ihn gewinnen. Denn je weiter die Digitalisierung voranschreitet, desto einfacher und unauffälliger ist der Eingriff in die Privatsphäre. Früher stand der gestrenge Vorgesetzte kontrollierend hinter seinen Mitarbeitern, das schärfste technische Überwachungssystem war die Stechuhr. Heute hängen Kameras in Supermärkten, die “versehentlich” auch Mitarbeiterinnen an der Kasse filmen. Schlüsselsysteme können registrieren, welcher Angestellte wann welche Türen öffnet – bis hin zum Klogang. Per Diensthandy sind Außendienstler auf Schritt und Tritt zu orten. Und das ist längst nicht das Ende. Ein Beispiel: die Datenmengen, die Gesundheitsapps im Smartphone zusammentragen. Es wäre doch ein enormer Wettbewerbsvorteil, wüsste ein Arbeitgeber schon beim Einstellungsgespräch, welcher Bewerber regelmäßig Sport treibt oder Probleme mit dem Blutdruck hat. Alles okay, weil Arbeitgeber doch ein berechtigtes Interesse daran haben, nicht bestohlen zu werden, Bummelei zu verhindern und bestmögliches Personal zu requirieren? Nein. Das Bundesarbeitsgericht hat erfreulich deutlich klargemacht, dass Mitarbeiter ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht an der Pforte abgeben. Dass ein solches Urteil überhaupt nötig war, liegt übrigens auch daran, dass das Thema bis heute nicht klar gesetzlich geregelt ist. Bereits 2009 hatte die damalige erste Große Koalition vereinbart, ein Arbeitnehmerdatenschutzgesetz zu erlassen. Bis heute gibt es keines. Lediglich das allgemeine Bundesdatenschutzgesetz ist ein wenig ergänzt worden. Dabei nachzubessern und Grundrechte auch im Arbeitsalltag zu sichern, wäre eine wichtige Aufgabe für eine neue Bundesregierung.

Quelle: Neue Westfälische