Unerträgliche Ignoranz: Profiteure des Einsperrens und Quälens dominieren Anhörung zur Zwangspsychiatrie in Hessen – Betroffene weitgehend ignoriert?

By behoerdenstress13

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Unerträgliche Ignoranz

Profiteure des Einsperrens und Quälens dominieren Anhörung zur Zwangspsychiatrie in Hessen – Betroffene weitgehend ignoriert

„Das war noch schlimmer, als ich erwartet hatte“, zog eine Demonstrantin ein Fazit, nachdem nur die Landtagsfraktion der Linken einer Einladung gefolgt war, sich vor der gestrigen Anhörung zum neuen Maßregelvollzugsgesetz mit Betroffenen zu treffen, deren Forderungen anzuhören und diese dann mit in den Landtag zu nehmen. „Wenn von fünf Parteien nur eine zu uns kommt – und gleichzeitig die aktuell Betroffenen nicht in den Landtag gelassen werden, dann ist das ganze System faul.“

Tatsächlich war es schon vor der Anhörung am 12.3.2015 zur Ausladung einer Person aus der forensischen Psychiatrie in Riedstadt gekommen. Gestern nun warteten Betroffene und Unterstützerinnen in Sichtweite zum Ort der Anhörung darauf, Kontakt zu den Entscheiderinnen hessische Politik aufnehmen zu können. Umfangreiche Polizeieinheiten sicherten die Bannmeile ab, damit zwischen Politik und Betroffenen kein Kontakt zustande kam. Nur die linke Landtagsabgeordnete Marjana Schott und Mitarbeiterinnen ihrer Fraktion suchten das Gespräch. Abgeschottet von Betroffenen prägten im Landtag die Nutznießerinnen die Debatte. Star-Psychiater Nedopil forderte eine schnelle Umsetzung, während die hessischen Vertreterinnen der Kliniken die Wiedereinführung brutaler Zwangsbehandlungsmethoden lobten. „Hier macht die Regierung Politik für Konzerne und Kliniken – also für die, die durch den Maßregelvollzug reich werden“, kritisierte der Anmelder der Demonstration, Jörg Bergstedt, die Ziele des neuen Gesetzes. Gemeinsam mit den anderen Anwesenden forderte er die Abschaffung von Zwang und Einsperren psychiatrischer Patientinnen. Die Liste mit den elf Forderungen wurde den Landtagsfraktionen zugeschickt. Hoffnung auf Einsicht hatten die Demonstrantinnen aber nicht: „Die machen Politik ohne die Menschen und gegen die Betroffenen.“ Und einer fügte an: „Unsere einzige Chance ist, einen Wandel auf der Straße zu erkämpfen. Dafür brauchen wir aber mehr Unterstützung. Die meisten Menschen haben sich nie Gedanken gemacht, was hinter den Mauern und Zäunen deutscher Zwangspsychiatrien alles so passiert.“

Weitergehende Informationen:

* Informationsseite:<http://www.psychiatrieundknast.de.vu>
* Bericht vom 12.3.2015 im Internet: http://opposition24.de/vorsicht-zwangseinweisung-lockerungen-im-massregelvollzug-geplant/
* Bericht auf Echo-Online am 13.3.2015: http://www.echo-online.de/nachrichten/landespolitik/Hessen-regelt-Zwangsbehandlung-von-Straftaetern-neu;art175,6014032
* Bericht in Frankfurter Rundschau am 13.3.2015: http://www.fr-online.de/rhein-main/massregelvollzug-behandlung-unter-zwang,1472796,30108534.html

*Bericht vom 13.03.2015:

https://pressecop24.com/2015/03/13/unzensiert-45-tage-dauerfixierung-in-der-psychiatie-in-hessen/

https://pressecop24.com/2015/03/13/fotoreportage-erleichterung-von-zwangsmasnahmen-im-massregelvollzug-in-hessen-geplant/

Die elf Forderungen

Das Maß ist voll! Forderungen für das neue Maßregelvollzugsgesetz

Unter Aufrechterhaltung

• unserer grundlegenden Forderung nach Abschaffung aller psychiatrischen Zwangsstrukturen und damit einem Ende allen Maßregelns,

• unserer Ablehnung der Verfügung von Menschen über Menschen, der zwangsweisen Verabreichung verhaltenssteuernder Stoffe von Menschen durch Menschen und der Erniedrigung oder formalen Begutachtung von Menschen durch Menschen

fordern wir zur sofortigen Umsetzung im neuen Maßregelvollzugsrecht und in allen Psychiatrien Hessens:

1. Volle Anerkennung der Patientinnenverfügungen und Vorsorgevollmachten ohne Wenn und Aber in Kliniken, vor Gutachterinnen und vor Gericht.

2. Internetzugang, Wahrung des Postgeheimnisses, uneingeschränktes Telefon- und Besuchsrecht in allen freien Phasen des Tages (mindestens zwei Stunden pro Tag).

3. Vorführung vor Richterinnen oder Gutachterinnen nur ohne vorherige, erzwungene Einnahme oder Zuführung von Psychopharmaka sowie Dokumentation (auch bei gewünschter Einnahme), welche Psychopharmaka in den sechs Monaten davor eingeflößt oder abgesetzt wurden.

4. Keine Sanktionierung für kritische, auch polemische mündliche oder schriftliche Äußerungen. Keine Einschränkung oder Repression für Pressekontakte oder Teilnahme an Protestaktionen.

5. Keine Fixierungen, Zwangsmedikamentierungen und Isolierungen in oder durch die psychiatrischen Anstalten!

6. Uneingeschränktes und jederzeitiges Einsichtsrecht in die Patientinnenakten und Einhaltung der Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes.

7. Besuchskommissionen mit vollen Rechten und unter Beteiligung von Angehörigenvertreterinnen, Betroffenen und zivilgesellschaftlichen, u.a. psychiatriekritischen Vertreterinnen aus dem In- und Ausland.

8. Ständige, mindestens einmal jährlich öffentlich zu machende Dokumentation aller Grundrechtseinschränkungen (Freiheitsberaubungen, Verschärfung der Freiheitsbeschränkungen, körperliche Unversehrtheit, Wahrung des Post- und Telefongeheimnisses), von Todesfällen und schweren Gesundheitsschäden durch die Behandlung.

9. Standardisierung der Rechtsbelehrungen für Betroffene und Überreichung einer standardisierten Rechtshilfe mit Benennung aller Rechte und Pflichten der Inhaftierten.

10. Schriftliche Dokumentation und Begründung aller sogenannten „Besonderen Sicherungsmaßnahmen“ einschließlich der vollen Akteneinsichtsmöglichkeiten und sofortiger Beschwerdemöglichkeiten für die Betroffenen.

11. Ausgang jeden Tag und mögliche frühzeitige Integration in Maßnahmen außerhalb geschlossener Einrichtungen, d.h. psychiatrischer Vollzug in Anlehnung an den offenen Strafvollzug als Standard des Maßregelvollzugs. Dokumentation und besonderer richterlicher Beschluss bei Einschränkungen.

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