Frankfurt/Urteil: Pferderennklub muss Gelände räumen, Unwirksamkeit d. Mietaufhebungsvertrags festgestellt!

 

27.07.2017 – Pressemitteilung

OLG weist Berufung des Renn-Klubs gegen seine Verurteilung zur Räumung des Rennbahngeländes zurück, stellt aber die Unwirksamkeit d. Mietaufhebungsvertrags zwischen der Stadt u. der Betreiberges. fest

 

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit Urteil vom 27.7.2017 die Berufung des Renn-Klubs gegen die Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe des Rennbahngeländes zurückgewiesen. Auf die Widerklage des Beklagten hin hat es festgestellt, dass der Hauptmietvertrag zwischen der Stadt und der Betreibergesellschaft nicht durch den Aufhebungsvertrag wirksam beendet wurde. 

Die klagende Stadt nimmt den beklagten Renn-Klub auf Räumung des Rennbahngeländes in Frankfurt-Niederrad in Anspruch. Die Stadt ist Eigentümerin dieses Geländes und vermietete es im Jahre 2010 an eine Betreibergesellschaft. Zweck des Mietvertrages war die Durchführung von Pferderennen. Der Vertrag hatte eine feste Laufzeit bis mindestens zum 31.8.2024 und war nur außerordentlich kündbar. Die Betreibergesellschaft schloss wiederum mit dem Beklagten einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Mit diesem Vertrag verpflichtete der Beklagte sich, fünf Renntage pro Jahr auf der Rennbahn abzuhalten. Der Vertrag sollte bis zum 31.8.2024 laufen (§ 3 Ziff. 1) und konnte von beiden Seiten halbjährlich jeweils zum 30. Juni bzw. 31. Dezember eines Jahres gekündigt werden (§ 3 Ziff. 2).

Mit notariellem Vertrag vom August 2014 erwarb die Stadt alle Geschäftsanteile an der Betreibergesellschaft. Zugleich wurde der Mietvertrag zwischen der Betreibergesellschaft und der Stadt einvernehmlich aufgehoben. Die vereinbarte Gegenleistung zahlte die Stadt vertragsgemäß an den vormaligen Anteilseigner.

Nachfolgend kündigte die Betreibergesellschaft ihrerseits den Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Beklagten; die Stadt wiederholte die Kündigung vorsorglich.
Die Stadt ist der Ansicht, dass der Beklagte das Gelände räumen müsse. Zur Begründung verweist sie darauf, dass der Beklagte bereits wegen der wirksamen Beendigung des Hauptmietvertrags zur Herausgabe verpflichtet sei. Darüber hinaus sei auch der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Betreibergesellschaft und dem Beklagten wirksam gekündigt worden. Dieser Vertrag sei ausweislich seines eindeutigen Wortlauts ordentlich kündbar gewesen.
 
Der Beklagte ist demgegenüber der Ansicht, dass weder der Geschäftsbesorgungsvertrag noch der Hauptmietvertrag wirksam beendet worden seien. Der Geschäftsbesorgungsvertrag habe ebenso wie der Hauptmietvertrag nicht vor Ablauf der festen Laufzeit bis zum 31.8.2024 gekündigt werden können. Die Aufhebung des Hauptmietvertrags sei infolge Verstoßes gegen die guten Sitten unwirksam, sie habe dem Renn-Klub die Existenzgrundlage entzogen. Der Beklagte beantragt widerklagend u.a. festzustellen, dass das Hauptmietverhältnis zwischen der Stadt und der Betreibergesellschaft nicht durch den Aufhebungsvertrag wirksam beendet wurde.

Das Landgericht hatte den Beklagten zur Räumung des Rennbahngeländes verurteilt und die Widerklage des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner Berufung wendet sich der Beklagte gegen die Räumungsverpflichtung und verfolgt seine Widerklage weiter.

Das OLG hat nach Einvernahme von sieben Zeugen mit Urteil vom 27.7.2017 die Berufung des Beklagten gegen die Räumungsverpflichtung zurückgewiesen. Zur Begründung führt es aus, dass der Stadt als Eigentümerin des Geländes ein gesetzlicher Räumungsanspruch gegen den Beklagten zustehe. Der Beklagte verfüge nicht über ein Besitzrecht. Dieses ergebe sich weder aus der Historie der Rennbahn noch aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Betreibergesellschaft. Der Geschäftsbesorgungsvertrag sei zwischenzeitlich wirksam gekündigt worden. Dem Wortlaut des Vertrags nach sei der Vertrag halbjährlich kündbar gewesen. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe bestätigt, dass die Parteien bei Abschluss des Vertrags von einer allgemeinen Kündigungsmöglichkeit ausgegangen seien. Dass diese Kündigungsmöglichkeit im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen könne, berechtige das Gericht nicht zu einer inhaltlichen Änderung. Die Kündigungserklärung verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. Die Betreibergesellschaft müsse sich nicht die sittenwidrigen Intentionen ihres früheren Geschäftsführers zurechnen lassen. Sie habe von einer vertraglich eingeräumten Position in zulässiger Weise Gebrauch gemacht. Der Geschäftsbesorgungsvertrag habe dem Beklagten infolge der Kündigungsregelung keine langfristig gesicherte Rechtsposition verschafft.

Zugleich hat das OLG auf die Widerklage des Beklagten hin festgestellt, dass sich die Stadt dem Beklagten gegenüber nicht auf eine Beendigung des Hauptmietvertrags mit der Betreibergesellschaft durch Abschluss des Aufhebungsvertrags berufen könne. Dieser Vertrag sei unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände als sittenwidrig einzustufen. Bedeutung erlange insbesondere, dass die Aufhebung des Hauptmietvertrags dem noch bestehenden Geschäftsbesorgungsvertrag mit dem Beklagten die Grundlage entzogen habe. Die Interessen des Beklagten seien trotz des engen Bezugs zwischen dem Hauptmietvertrag einerseits und dem Geschäftsbesorgungsvertrag andererseits in keiner Weise berücksichtigt worden. Die Zahlung für die Übertragung der Geschäftsanteile stelle sich im Ergebnis überwiegend als Gegenleistung für die vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages dar. Sie hätte damit auch an die Betreibergesellschaft, nicht nur den vormaligen Anteilseigner erfolgen müssen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; der Senat hat für beide Parteien wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann hinsichtlich des Räumungstitels die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die Stadt vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Die Entscheidung ist in Kürze unter www.lareda.hessenrecht.hessen.de abrufbar.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 27.7.2017, Az. 2 U 174/16
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 16.12.2016, Az. 2-12 O 437/15)

Erläuterungen:
Die Berufung der Stadt ist am 22.12.2016 eingegangen und konnte bis zum 21.3.2017 begründet werden. Nach einer Erwiderungsfrist für die Stadt bis Mitte April 2017 fand ein erster Termin zur mündlichen Verhandlung mit Beweisaufnahme am 5.5.2017 statt. Die Beweisaufnahme wurde am 26.6.2017 fortgesetzt. Die Parteien erhielten Gelegenheit, sich vor dem auf den 27.7.2017 festgesetzten Verkündungstermin zum Ergebnis der Beweisaufnahme bis zum 21.7.2017 zu äußern.

Der Beklagte hatte im Berufungsverfahren einen mit dem Urteil zu entscheidenden Schuldnerschutzantrag gestellt. Dieser ist darauf gerichtet, die Vollstreckbarkeit eines Urteils an dessen Rechtskraft zu binden. Ein solcher Antrag hat Erfolg, wenn die vorläufige Vollstreckung dem Schuldner einen „nicht zu ersetzenden Nachteil“ bringen würde und kein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 712 ZPO). Das OLG hat diesen Antrag  zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass mit der vorläufigen Vollstreckung zwar eine Existenzgefährdung des Beklagten verbunden sein könne. Da jedoch nunmehr zwei Instanzen der Stadt einen Räumungsanspruch zugesprochen hätten, stünden diesem Schutzantrag überwiegende Interessen der Stadt an der Vollstreckung entgegen. 

Im Fall der Einlegung der Revision besteht – unabhängig von der Zurückweisung dieses Schutzantrags – die Möglichkeit, vor dem BGH einen Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung zu stellen (§ 719 Abs. 2 ZPO). Der BGH ordnet die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung an, wenn die Vollstreckung dem Schuldner „einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht“.

Die auf die Widerklage des Beklagten hin getroffene Feststellung, dass der Hauptmietvertrag zwischen der Stadt und der Betreibergesellschaft nicht wirksam durch den Aufhebungsvertrag beendet wurde, wirkt sich nicht auf die Vollstreckbarkeit des Räumungstitels aus. Mit diesem Ausspruch steht für mögliche, derzeit nicht rechtshängige Ansprüche zwischen den Parteien fest, dass der Beklagte während der Dauer des Geschäftsbesorgungsvertrags auch der Klägerin gegenüber zur Nutzung des Rennbahngeländes berechtigt war.

Quelle: https://olg-frankfurt-justiz.hessen.de