Grüne: Dutzende Atomkraftwerke ohne korrekte Genehmigung in Europa

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Mindestens 18 Atomkraftwerke in der Europäischen Union (EU) werden offenbar ohne die notwendigen Genehmigungen betrieben und könnten womöglich, durch Klagen von Anwohnern, NGOs oder Nachbarstaaten stillgelegt werden. Das ergab eine Untersuchung der Atomexpertin und Grünen-Bundestagsabgeordneten Sylvia Kotting-Uhl, über die der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe berichtet. Vor wenigen Wochen hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) die Laufzeitverlängerung von zwei belgischen Atomreaktoren für rechtswidrig erklärt.

Die Zulassungsbehörde habe es versäumt, bei einer genehmigten Laufzeitverlängerung eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorzunehmen, heißt es in der Untersuchung. Nach Recherchen der Grünen-Politikerin trifft das jedoch nicht nur für die belgischen Meiler zu: Mindestens 18 Reaktoren in der EU und mehr als ein Dutzend weitere Meiler in europäischen Nachbarstaaten wie der Ukraine dürften danach ohne gültige Genehmigung laufen. Auch bei ihnen habe keine grenzüberschreitende UVP stattgefunden, heißt es in der Untersuchung weiter. Viele der Atomkraftwerke stehen in der Kritik, weil sie das von den Herstellern meist empfohlene Betriebsalter von 40 Jahren überschritten haben oder kurz davor stehen. Auch nach Ansicht der auf Atomrecht spezialisierten Anwältin Dörte Fouquet, die mit der Kanzlei Becker Büttner Held solche Verfahren führt, müssten die ohne UVP genehmigten Meiler bei Klagen und Beschwerden stillgelegt werden. Zumindest müssten die Genehmigungen nachgeholt werden. Die Bundesregierung teilte auf Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion mit, dass man keine genaue Kenntnis darüber habe, "welche europäischen Anlagen derzeit ohne (grenzüberschreitende) UVP betrieben würden". Bei dem für diese Untersuchungen zuständigen UNO-Komitee, befänden sich sechs Verfahren mit insgesamt 23 Atomreaktoren in der Prüfung, die ohne UVP in Europa zugelassen worden sein sollen, heißt es in der Antwort der Bundesregierung, über die der "Spiegel" berichtet. Kotting-Uhl forderte von der Bundesregierung, auf ein "Ende des rechtswidrigen AKW-Betriebs" zu drängen.