Kanzleramtschef gesteht Versäumnis bei Corona-App ein

Mann mit Smartphone, über dts Nachrichtenagentur

Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat erstmals Versäumnisse bei der Entwicklung der Corona-Warn-App eingestanden. "Aus heutiger Sicht hätten wir die Entscheidung, die Unternehmen mit der technischen Umsetzung der Corona-App zu betrauen, zehn Tage früher treffen sollen", sagte Braun der "Welt am Sonntag". Ursprünglich sollte die Warn-App bereits Ende April starten.

Innerhalb des ursprünglichen Projektteams brach jedoch ein Streit über technische Grundsatzentscheidungen aus, berichtet die Zeitung. "Die Gruppe war so bunt, dass sie leider einen Richtungsstreit hatte, der den schnellen Erfolg verhinderte", so Braun, "aber sie hat trotzdem Großartiges geleistet". Ende April hatte die Bundesregierung entschieden, nicht mehr das Projektteam, sondern die Unternehmen SAP und T-Systems mit der Umsetzung der App zu beauftragen. Die App wird an diesem Wochenende final getestet und soll in wenigen Tagen in den App-Stores von Apple und Google heruntergeladen werden können, berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf eigene Informationen. Über Bluetooth-Signale misst die App, ob andere Nutzer in der Nähe sind. Wird ein Nutzer positiv getestet, kann er seinen Status in der App eingeben und so andere Anwender über die App warnen. Der digitalpolitische Sprecher der SPD, Jens Zimmermann, kritisierte die Verzögerung. "Die App hätte sicherlich zwei bis drei Wochen früher zur Verfügung stehen können, hätten sich Gesundheitsminister Spahn und das Kanzleramt von vornherein auf den sogenannten dezentralen Ansatz verständigt, wie von vielen Experten gefordert", sagte er der "Welt am Sonntag". Auch die Rolle einzelner Berater des Kanzleramtes bleibe "etwas nebulös". Die Grünen fordern, dass der Bundestag ein Gesetz erlässt, dass die Freiwilligkeit der Nutzung der App und die Anonymität der erhobenen Daten garantiert. Der Vize-Fraktionsvorsitzende und Digitalexperte Konstantin von Notz nennt das Gesetz eine "vertrauensbildende Maßnahme", das im "Sinne der Rechtssicherheit für alle Beteiligten" dringend erforderlich sei. Noch vor der Sommerpause werde seine Fraktion einen Vorschlag für eine gesetzliche Lösung im Parlament vorlegen. FDP-Digitalpolitiker Manuel Höferlin hält ein Gesetz hingegen für "obsolet", da dies "technisch ohnehin umgesetzt" werde. Befürchtungen um einen möglichen Nutzungszwang seien mit dem geltenden Recht unvereinbar, Datenschutzbehörden hätten das auch "auf dem Schirm", sagte er der "Welt am Sonntag". Die Debatte führe im Gegenteil dazu, Misstrauen zu schüren. Höferlin fordert hingegen mehr Aufklärung über die Kosten der App: "Das betrifft vor allem die immensen laufenden Betriebskosten, zum Beispiel für die Telefon-Hotline." Aus Regierungskreisen hieß es, die Entwicklung der App habe rund 20 Millionen Euro gekostet. Auch im Betrieb werden weiterhin Kosten anfallen: Man rechne mit 2,5 bis 3,5 Millionen Euro – pro Monat. Ein Großteil davon werde für Hotlines ausgegeben. Die App, so Höferlin, komme "nicht nur reichlich spät" und mit einem "massiven Vertrauensdefizit", sie scheine auch "sehr teuer" zu werden. "Allein aus diesem Grund fordere ich eine umfassende Unterrichtung des Parlaments unmittelbar nach Veröffentlichung der App." Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber hat in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), über den die "Welt am Sonntag" berichtet, geschrieben, eine Verpflichtung durch Arbeitgeber laufe der Akzeptanz der App zuwider. "Ich rege an, für den Fall einer gesetzlichen Regelung ein solches unzulässiges Verhalten mit einer Strafandrohung zu versehen", so Kelber.

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